Das Schloss im Wald

51oSt9vpCUL._SX330_BO1,204,203,200_Ein Assistent des Satans, ein Teufel im gehobenen Rang, erzählt die Geschichte einer österreichischen Familie über einen Zeitraum von etwa 100 Jahren. So weit, so gut, eigentlich nichts Besonderes, könnte man sagen, wäre es nicht die Familie Adolf Hitlers, die hier im Fokus steht. Penibel widmet sich die Saga diesen Menschen aus ärmsten bäuerlichen Verhältnissen, ihrem Leben und Streben bis zur Geburt Hitlers, der das Produkt mehrerer Generationen von Inzest (sein Großvater ist auch sein Vater) darstellt. Genau das macht ihn interessant für die Agenten des Teufels (der „Maestro“, wie er vom Erzähler genannt wird), die ebenso wie die Engel Gottes (der „Dummkopf“) ständig Ausschau halten nach potenziellen Kandidaten, die sie für ihre Ziele einsetzen können.

Der Meister erteilt also den Auftrag, den Kleinen und seine Familie genau im Auge zu behalten und der Erzähler leistet ganze Arbeit. Immer wieder lenkt er Hitler in die gewünschte Richtung, er fördert schon früh seine Faszination für Kriegsspiele und dumpfen Patriotismus (ein vom Teufel geliebter Charakterzug!), schürt den Hass auf den autoritären Vater und den Neid auf die Geschwister und achtet darauf, dass die Beziehung des sexuell verklemmten Jungen zur bigotten Mutter zerrissen bleibt. Das Gewissen des Kindes wird durch die Suggestion von Träumen (eine der stärksten Waffen der Dämonen) Stück für Stück reduziert, bis auch Mord nicht mehr als verwerflich erscheint. Das Buch endet im Jahr 1905, Hitler ist 16 Jahre alt. Im Epilog werden die satanischen Diener nach Ende des 2. Weltkriegs in die USA gesandt, wo der Maestro in den Juden und Arabern viel versprechende neue Klienten wähnt…

Norman Mailer, ein Spezialist der Romanbiographie, also des Vermischens von Fakten mit Fiktion, hat wieder zugeschlagen, er hat ein brisantes Thema gewählt und gekonnt provokant umgesetzt. Es ist ein äußerst origineller Versuch, die Psyche dieses Menschen zu erklären; fernab von den bekannten und ausgetretenen Pfaden. Der Autor begeht dabei aber nicht den Fehler, alle Schuld an den Nazi-Verbrechen den teuflischen Mächten zuzuschreiben. In einer Schlüsselszene, in der Klein-Hitler seinem Vater begeistert zusieht, wie dieser einen Stock mit kranken und schwachen Bienen vergast, wird im nächsten Satz ein Kausalzusammenhang mit späteren Ereignissen abgelehnt; der freie Wille des Menschen steht im Vordergrund, auch wenn er durch frühkindliche Eindrücke geprägt ist. Das Buch liefert Denkanstöße statt Erklärungen für Dinge, die nicht erklärbar sind. Oder um es mit Mailer zu sagen: „Was die Teufel überlebensfähig macht ist, dass wir weise genug sind zu verstehen, dass es keine Antworten gibt – es gibt nur Fragen.“

Der Roman ist betont locker geschrieben; streckenweise amüsant, zum Beispiel in den Schilderungen vom täglichen Wettstreit der Engel und Teufel um die Menschenseelen und er ist auch spannend, etwa wenn der Erzähler Österreich zeitweise verlassen muss, um für Aufruhr im zaristischen Russland zu sorgen und so das Feld zu bestellen für künftige Geschehnisse dort. Mailer ist ein Meister der Sprache und der Erzählkunst, er versteht sein Handwerk wie kaum ein zweiter und hebt sich wohltuend ab vom großen Einheitsbrei der meisten Werke zeitgenössischer US- Literatur; ohne Zweifel einer der bedeutendsten Schriftsteller der Gegenwart. Ohne Einschränkungen absolut lesenswert!


Genre: Romane
Illustrated by LangenMüller

Felders Traum

Felders Traum Elmar BereuterElmar Bereuter, der Verfasser von »Felders Traum«, der Lebensgeschichte des »schreibenden Bauern« Franz Michael Felder, genießt einen unschätzbaren Vorteil: Er entstammt selbst dem Bregenzerwald, jeder Gegend im österreichischen Voralberg, in der diese Tatsachengeschichte spielt.

Bereuter kennt die Welt der Berge, den Dialekt der Wälder, ihre Bräuche und Gewohnheiten und hat insofern beste Voraussetzungen, den Lebensweg des »Sonderlings« zu beschreiben. Mit entsprechendem Einfühlungsvemögen schildert der Autor die Bedingungen, unter denen der halbblinde Junge auf- und heranwuchs und zum geschriebenen Wort fand.

Im Dorf Schoppernau, zu Füßen der Kanisfluh, einem sagenumwobenen Bergmassiv, erblickte Franz Michael Felder am 13.05.1839 das Licht der Bergwelt. Der rebellische Bergbauernbub wurde keine 30 Jahre alt, er schuftete zeitlebends als Kleinbauer und fristete mit den Seinen ein kärgliches Dasein.

Die öffentliche Meinung, bestehend aus dem Willen von Großbauern, Käsebaronen, Vorstehern sowie dem ultrakatholischen Klerus bestimmte das Leben der Heuer, Küher, Sennen und ihrer Angehörigen bis in den kleinsten Bereich, und alle richteten sich danach. Unter diesem Druck, in dem jeder beobachtete, selbst beobachtet und beurteilt wurde, bedeutete schon allein die Infragestellung althergebrachter Sitten eine unerhörte Störung der allgemeinen Ruhe und des dörflichen Friedens.

Bereuter beschreibt, gegen welche enormen Widerstände der junge Felder seinen Lesehunger stillte, Zeitungen und Bücher besorgte, sich literarisch bildete und schließlich selbst zur Feder griff. Aufgrund der Armut seiner Zeitgenossen elektrisierten ihn sozialreformerische Ideen, die er mit der Lektüre aufsog und in Vereinen und durch Parteiengründung umzusetzen suchte.

Dass er dabei vor allem auf den Hass der Amtskirche stieß, die ihn offen von der Kanzel herab verleumdete und zum Teufel wünschte, ist ein Schwerpunkt dieses stets dicht an den bekannten biografischen Fakten, Briefen und Unterlagen orientierten Romans. Der schreibende Freigeist Felder musste aufgrund von Morddrohungen sogar zeitweise aus seinem Heimatdorf fliehen. Erst aufgrund der Aufmerksamkeit der Presse und dem großen und positiven Echo auf seine Veröffentlichungen wurde er halbwegs respektiert und in Frieden gelassen. Am 26. April 1869, kurz vor seinem 30. Geburtstag, starb der Verfasser von Romanen wie »Reich und Arm« an Lungentuberkulose.

Elmar Bereuter setzt mit seinem 500-seitigen Werk nicht nur Franz Michael Felder ein mehr als verdientes Denkmal. Er verfasste zugleich einen ungemein spannenden, in einem mächtigen Rutsch zu lesenden historischen Roman, der ein Signal gegen Ignoranz und Kleingeisterei setzt. Diese Biographie wird jedem gefallen, der sich für die Lebenswege von Außenseitern, die dem eigenen Stern folgen, interessiert.


Genre: Biographien, Briefe, Memoiren
Illustrated by LangenMüller