Was bleibt von einer Bewegung, wenn ihr Pathos verraucht ist? Was bleibt von einem Leben, wenn es in Widersprüchen aufgelöst wird? Und was geschieht mit einer Gesellschaft, die ihre eigenen Extremismen nur noch als Archivmaterial kennt? Alexander Pfeiffer geht diesen Fragen in seinem neuen Roman Terrorballade nach – klug, lakonisch und mit sicherer Hand für Zwischenräume.
Im Zentrum der Handlung steht Sänger, ein ehemaliger Filmvorführer mit detektivischem Talent, der lieber Scotch trinkt, als sich in die Angelegenheiten anderer einzumischen. Doch als eine frühere Weggefährtin aus linken Kreisen auftaucht und ihn bittet, nach einem verschollenen Ex-V-Mann zu suchen, wird er erneut in eine Geschichte gezogen, die tief in die bundesdeutsche Vergangenheit reicht – genauer: in die späten Jahre der RAF und die Folgen ihres Scheiterns.
Pfeiffer verwebt in seinem Roman geschickt Fiktion und dokumentarisch präzise Recherchen. Die Figur Robert Zimmermann – ein realistisch gezeichneter V-Mann, der maßgeblich zur Zerschlagung der dritten RAF-Generation beitrug – ist der dunkle Pol des Romans. Um ihn kreist eine ganze Reihe gebrochener Figuren, von alten Szene-Mitgliedern bis zu jenen, die immer nur halb dazugehört haben. Das Buch wird dabei zu einer Reflexion über Schuld, Verdrängung und die Doppelmoral der damaligen Linken – die sich auf eine „menschliche Gesellschaft“ berief, aber Gewalt in Kauf nahm.
Sprachlich überzeugt Terrorballade mit trockenem Witz, stilsicheren Dialogen und einer wohltuend unaufgeregten Erzählhaltung. Sänger, der Ich-Erzähler, ist ein resignierter, aber nie zynischer Beobachter. Seine Erinnerungen, seine Zweifel und seine Widersprüche machen ihn zum glaubhaften Gegenüber in einer Welt, in der die alten Gewissheiten längst brüchig geworden sind.
Kritisch anzumerken ist, dass die Handlung über weite Strecken weniger von klassischer Spannung als von Reflexion getragen wird. Wer einen temporeichen Kriminalfall erwartet, könnte enttäuscht sein. Doch gerade dieser entschleunigte, fast essayistische Zugriff macht den Reiz des Romans aus. Terrorballade ist kein Krimi im herkömmlichen Sinne – sondern ein literarischer Abgesang auf den Furor einer untergegangenen politischen Ära.
Fazit:
Alexander Pfeiffer gelingt mit Terrorballade ein stilles, nachdenkliches Buch über eine laute, aufgewühlte Zeit. Der Roman überzeugt nicht durch Action, sondern durch Atmosphäre, kluge Figurenzeichnung und ein Gespür für die Bruchstellen deutscher Zeitgeschichte. Eine lohnende Lektüre für alle, die sich für die dunklen Ecken der jüngeren Vergangenheit interessieren – und für das, was davon in der Gegenwart noch nachhallt.