Die Kneipe, die Renate Hupfeld in der ersten Geschichte dieses Bandes schildert, kommt mir bekannt vor: In jungen Jahren besuchte ich gern den »Star-Club« in Bielefelds Jöllenbecker Straße. Dessen Eigenheit bestand daran, dass direkt neben dem Lokal ein Friedhof lag, auf den sich der eine oder andere Zecher verirrte, um alsbald schreckensbleich und ernüchtert wieder zurückzukehren. Nun weiß ich nicht, ob die Autorin eben diesen Ort vor Augen hatte, als sie ihre Erzählung zu Papier brachte, aber es wäre durchaus möglich. Denn auch Jimmys Kneipe mit dem eindrucksvollen Namen »Totenschlucht« ist ein Tanzschuppen, der am Ende eines Gottesackers liegt. Hier treffen sich die Herren der Umgebung, um die kleinen schnuckeligen Tanzgeister abzuschießen, die sich zum Schwofen einfinden.
Siggi ist einer von ihnen, der sich von einer Frau mit pechschwarzen Haaren magisch angezogen fühlt. Doch als sie dann zur Geisterstunde miteinander tanzen, möchte er am liebsten fliehen. Sie quatscht ihn voll, sei ihm angeblich schon in einem früheren Leben begegnet. Außerdem ist die grell geschminkte Dame recht dürr, Siggi hat gar den Eindruck, mit einem Gerippe zu tanzen. Er ist froh, sie endlich wieder an ihren Tisch bringen zu können und stürzt ins Freie, um frische Luft zu schnappen. Dabei landet er auf dem benachbarten Friedhof. Ein unheimlicher Gesang lockt ihn an, und plötzlich schwebt ihm auch schon seine kuriose Tanzpartnerin zwischen den Gräbern entgegen …
Die unheimliche Tänzerin und andere Gespenster geistern durch die Geschichten, die Renate Hupfeld erzählt. Da ist von Wiedergängern, Trollen und Feen die Rede, die ihr Unwesen treiben und die Lebenden irritieren.
In der Erzählung »Eispalast« geht es beispielsweise um die Nahtoderfahrung einer Abfahrtsläuferin, die mit ihrem Sohn in eine Nebelbank gerät und in das Reich der Eismonster eintritt. Mit letzter Willenskraft kann sie sich aus der Finsternis, die sie umfängt, losreißen und mit ihrem Jungen ins Leben zurückkehren.
Dass die Autorin ein Faible für Zwischenwesen hat, weiß ich bereits aus ihrer Story-Sammlung »Hammfiction«. Hier las ich erstmals vom »Hammamunga«, einem Geschöpf, das sich das westfälische Hamm als Lebensraum gewählt hat. Auch diese Geschichte ist in diesem Band zu finden, so dass »Nie ohne Geister« Lust macht, auch die anderen Bücher von Renate Hupfeld zu durchstöbern.