Irland im Jahr 1917: Die Familie Blackshaw residiert im Anwesen Tyringham Park mit allem Prunk und allen Privilegien des beginnenden 20. Jahrhunderts. Es herrscht eine gefühlskalte, egozentrische Mutter, der Vater glänzt meist durch Abwesenheit. Dazu bieten wir noch die lieben Töchterlein, eins hübscher als das andere, eine Dienstbotenriege, die das gesamte dramaturgische Spektrum von liebevoller Köchin bis hin zur grausamen Nanny abdeckt. Und jede Menge Pferde.
Eines Tages verschwindet die jüngste Tochter der Familie spurlos. Entführung, Ermordung, Unfall? Das Schicksal der Kleinen bleibt lange Jahre ungeklärt. Eine Spur führt nach Australien – klar, bißchen Fernweh und eine Prise Aussiedlerromantik schadet nie. Die andere Spur verläuft sich am nahegelegenen Fluß. Die Jahre gehen ins Land, Ungereimtheiten und heimliche, nicht standesgemäße Liebschaften kommen ans Licht, alleine das Kind bleibt unauffindbar. Sein Verschwinden wirft einen Schatten über das Leben aller, die das Kind gekannt haben. Nur mit der Wahrheit, die sich nach Jahrzehnten offenbart, hat laut Klappentext keiner gerechnet. Mit der Banalität dieser Wahrheit wohl auch der bis dahin tapfer durchhaltende Leser nicht.
Die Auflösung des Plots um die verlorene Schwester ist so flach wie nur eben geht. Das fiel mutmaßlich auch der Autorin auf, so dass sie sich ohne Vorwarnung und ohne vorherigen Bezug dazu schnell in ein esoterisches Geschwurbel rettet. Doch der Roman krankt nicht nur an dieser schon sensationell mißglückten Auflösung. Auf dem Cover steht tatsächlich: Wenn Sie Downton Abbey mögen, werden Sie diesen Roman lieben. Markige Worte. Man kann den Vergleich mutig nennen, anmaßend trifft es allerdings besser. Drehen wir es um: Wer Downton Abbey liebt, kann Tyringham Park allenfalls ansatzweise freundliches Wohlwollen entgegenbringen.
Die Handlung an sich ist gar nicht so schlecht. Ein bißchen zu konstruiert, ein bißchen zu vorsehbar, aber – aus diesem Kaleidoskop an Schicksalschlägen, die unzweifelhaft einer blühenden Phantasie entspringen, hätte man was machen können. Hat man aber nicht. Es wird eher lieblos erzählt, die Sprache ist hölzern, manche Sätze wirken wie abgebrochen und Faden verloren. Manche Szenen scheinen wie zufällig in der Entwürfe-Schublade gefunden und schnell in den Roman hineingewürfelt. Wiederholungen sind das Stilmittel der Wahl, die Charaktere sind mit der Schablone gezeichnet, Hauptsache, es entspricht den Klischees. Und wenn nicht, dann wird ganz schnell mal überzeichnet. Schwarz-weiß klappt ja immer. Nirgendwo findet sich ein Charakter, mit dem sich identifizieren oder den man wenigstens mögen könnte. Es werden weder Sympathien geweckt, noch Mitleid. Der Leser bleibt ratlos und weiß nicht, ob die wie hingeschludert wirkende Erzähltechnik Absicht ist und wenn ja warum nur? Die Autorin ist gebürtige Australierin, lebt aber schon seit Jahrzehnten in Irland. Es nimmt schon Wunder, dass die Schauplätze derart lieblos und oberflächlich gezeichnet sind.
Die größte sich an diesem Buch zeigende Begabung hat zweifelsohne der Verfasser des Klappentextes, der auf den Zug des Erfolges von Downton Abbey aufspringend es tatsächlich geschafft hat, Neugierde auf dieses Buch zu wecken. Noch einmal: Es mag ja sein, dass es in Downton Abbey auch oft nur um den British Tea zu jeder Stunde des Tages geht. Aber dieser Tee ist wenigstens erlesen und elegant, der von Tyringham Park ist allenfalls ein schaler Aufguß. So geschickt der Klappentext ist, man sollte ihn überdenken. Selbst wenn das Buch besser gewesen wäre – im Vergleich mit Downton Abbey kann man nur verlieren.
Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift