Warren Ellis führt seinen Helden, Privatdetektiv Mike McGill tief ins Herz und die Abgründe Amerikas. Mc Gill, der sich selbst den Ehrentitel “Pech-Magnet” gab, erhält unvermutet vom Stabschef des weißen Hauses den Auftrag, ein seltenes Buch zu finden. Die alternative Verfassung der Vereinigten Staaten, dareinst unterzeichnet von der Gründungsvätern Amerikas. Wie geschaffen dafür, dem wahnsinnigen Treiben einer dekadenten Gesellschaft Einhalt zu gebieten. Ausgestattet mit einer halben Million Dollar und einem Palmtop hetzen McGill und Partnerin quer durch die USA. Begegnen redseligen Serienkillern, salzwasser-gespritzten Bodybuildern, Anwälten, die sich an letalen Sexualpraktiken delektieren, um nur eine kleine Auswahl zu nennen.
Soweit die vordergründige Handlung. Die Detektivgeschichte ist jedoch mehr Rahmen und Tarnung. Ellis eigentliches Thema ist die Reise durch die perversen Abgründe Amerikas und darüberhinaus das world wide web als neue Wiege des Mainstream. Eine simple, doch geniale Idee, im Netz geortete Absurditäten als Roman zu verarbeiten. Warren Ellis ist ein anerkannter britischer Graphic Novelist, berüchtigt dafür, das Superhelden-Genre zu parodieren und modernisieren. Sich selbst nennt er einen aktiven Online Bürger und nutzt den Roman als Mahnung, dass auch die groteskeste Handlung nur ein müder Abglanz dessen ist, was das Internet bereits morgen entfesseln kann. Logisch, dass es auch nur ein besessener Wissenschaftler und Netz-Messias sein kann, der McGill die Kurve zum korrekt aufgelösten Plot bringt.
Wer immer schon einmal lustvoll schaudernd in Amerikas Abgründe schauen wollte, ist mit diesem zum Buch gewordenen Comic bestens bedient. Wer dagegen gepflegte Krimi-Unterhaltung sucht, lässt besser die Finger davon.
Fazit: schnell, oft trashig geschrieben ist “Gott schütze Amerika” das freche, witzige Werk eines Engländers, der die Welt mit dem stoischen Blick desjenigen betrachtet, dessen Land dem Glanz eines verblichenen Weltruhms nachtrauert.
(Anm. d.Red.: Erstveröffentlichung dieser Rezension im zwischenzeitlich eingestellten Kulturmagazin Westropolis 20. Januar 2010. Aufgrund der derzeitig offen zutage tretenden und öffentlich diskutierten Abgründe Amerikas sowie der Nachricht, dass das gelobte Land adeligen gutten Zuwachs bekommt und demnächst zu allem Überfluss auch noch dem Freiherrn Karl Theodor von und zu war mal deutsche Nachwuchshoffnung Zuflucht bieten muss, fand ich es so angemessen wie selten “Gott schütze Amerika” in Erinnerung zu rufen. )
Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift