Nach der Lektüre jedes neu erschienenen Romans von Andrea Camilleri muss man sich in Erinnerung rufen, dass der Autor 1925 geboren wurde. Camilleri war also, als dieser elfte Fall mit Commissario Montalbano in deutscher Sprache erschien, stolze 84 Jahre alt – oder jung. Folgt man nämlich seinem Protagonisten durch die turbulenten 270 Seiten dieses Romans, dann bleibt dem Leser gar keine Zeit, um sich Gedanken über welche Frage auch immer im Zusammenhang mit dem Lebensalter zu machen.
Hat man die einleitenden Seiten gelesen, taucht auch schon – hopplahopp – eine schöne junge Frau auf, allerdings mausetot und auf einer Müllkippe liegend. Im Verlaufe der Geschichte stellt sich heraus, dass es sich um eine Russin handelt. Sie wurde, ebenso wie tausende andere junge Russinnen, von einer Schleuserorganisation nach Italien gebracht. Ein sich sehr katholisch gebender Wohltätigkeitsverein holte sie dann aus dem Milieu und brachte sie in die sizilianische Provinz. Was sie dann dort erlebte lässt sich allerdings nicht als eine Verbesserung ihrer Situation umschreiben. Und das nicht nur, weil sie letztendlich dem Leser als Leiche bekannt gemacht wird.
Montalbano kämpft sich also wieder durch ein verfilztes System. Darin spielt mit die Staatsmacht in Gestalt verschiedener Institutionen und natürlich jene sizilianische Organisation, die weltweit bekannt ist und deren Namen in den Romanen von Camilleri so selten fällt, dass es gerade offensichtlich ist, um wen es sich handelt. Ob nun Mafia oder nicht – am Ende erhalten einige der Beteiligten das, was sie verdient haben. Andere kommen ungeschoren davon. Camilleri allerdings gehört nicht dazu. Er kämpft nämlich auch in diesem Roman nicht nur gegen die Unterwelt und die Dummheit einiger Mitarbeiter, sondern auch gegen seine eigene Sturheit. Mit der hat er sich bei seiner langjährigen Lebensgefährtin Livia unmöglich gemacht und muss nun versuchen, aus dieser Situation wieder heraus- und in seine Beziehung wieder hineinzukommen. Molto complicato! Aber auch: Sehr amüsant.
Andrea Camilleri mag zwar sehr alt sein. Seiner Produktivität tut dies aber offensichtlich keinen Abbruch. Den zahlreichen Fans sei versichert: Derzeit liegen noch mindestens vier Romane mit Montalbano im Original vor, die auf eine Übersetzung ins Deutsche warten.