Vom Kommen und Gehen
Wie die anderen beiden ist auch der letzte Band der Romantrilogie von Jane Gardam mit dem Titel «Letzte Freunde», 2016 auf Deutsch erschienen, völlig eigenständig zu lesen, ohne Cliffhanger also. Mit großem Geschick nämlich hat die Grande Dame der englischen Belletristik ihren üppigen Erzählstoff um die beiden Erfolgsjuristen und die Frau, die zwischen ihnen steht, aus den unterschiedlichen Blickwinkeln auf diese drei dominanten Figuren heraus entwickelt. So steht im ersten Band «Ein untadeliger Mann» Old Filth alias Edward Feathers im Fokus, im zweiten, «Eine treue Frau», seine Frau Betty und im vorliegenden dritten nun der ewige Rivale und Nebenbuhler Terry Verneering. Alle drei sind übrigens tot, wenn der Roman beginnt, im Wesentlichen wird also in ausgedehnten Rückblenden erzählt, und was man da so erfährt, ist oft schon aus den beiden anderen Bänden bekannt, der Reiz liegt in den jeweils verschiedenen Perspektiven.
Als berühmte Juristen der britischen Kronkolonie Hongkong haben die beiden ungleichen Männer schon manchen Strauß vor Gericht ausgefochten. Die hochgeachteten Koryphäen des Baurechts hassen und beneiden sich gleichermaßen, der «untadelige», gepflegte, überkorrekte Gentleman «Old Filth» und der ebenso lebenslustige wie attraktive Frauenheld Terry, den die mit Feathers verheiratete Betty ein Leben lang begehrt. Durch Zufall nach ihrer Pensionierung in einer kleinen Ortschaft der Grafschaft Dorset zu Nachbarn geworden, gehen die ungleichen Männer sich geflissentlich aus dem Weg, ehe sie nach Bettys Tod als einsame alte Herren doch noch zueinander finden. Das alles taucht als narrativer Hintergrund immer wieder auf, wenn Jane Gardam in gewohnt rasantem Tempo die Lebensgeschichte von Terry erzählt. Sie tut dies in verschiedenen Zeitebenen, die sie virtuos wechselt, wobei der Zeitrahmen das gesamte zwanzigste Jahrhundert umfasst mit all den Umbrüchen, die der Niedergang des British Empire mit sich gebracht hat, aber auch die Verheerungen des Zweiten Weltkriegs.
Bemerkenswert plastisch ist die Figurenzeichnung, neben den drei Helden der Trilogie tauchen hier ergänzend eine ganze Reihe weiterer Personen auf, die Terrys Lebensweg begleitet haben, allesamt auf ihre Weise originelle, oft auch recht skurrile Figuren. Mit schwarzem britischem Humor durchtränkt wird dabei aber nicht geschwätzig alles haarklein vor dem Leser ausgebreitet, der hintersinnige Plot lebt auch von dem diskret Ausgespartem, vom beharrlichen Schweigen des zumeist hoch betagten Figurenensembles, von den kleinen Geheimnissen in einem kunstvoll geknüpften narrativen Netz. Das Kommen und Gehen als ewiger Ablauf allen Lebens wird hier in den zurückgelassenen eigenen Kulissen, im ernüchternden Faktum des Weiterlebens der vielen anderen gespiegelt, der Nachgeborenen. Die Häuser wurden verkauft, neue Leute sind eingezogen, das ehemalige Leben darin ist schon bald nicht mehr erkennbar, alle Spuren sind inzwischen verwischt.
Und doch keimt in diesem geriatrischen Roman zaghaft noch die Hoffung auf, sind nicht alle Wege verstellt, selbst wenn dies kitschig erscheinen mag am Ende. Vorzuwerfen aber ist der Autorin das Zuviel an Zufällen, wer wem wann ganz unverhofft über den Weg läuft, wer zufällig auf der Suche nach einem Job in ein Büro hineinstolpert, als dessen Erbe er sich dann unerwartet erweist. Die Lebensgeschichte von Terry ist wahrlich märchenhaft geraten, und auch bei den aberwitzigen Todesarten, – und es wird viel gestorben in diesem Roman -, wird die Nachsicht des Lesers auf eine harte Probe gestellt. Letztendlich aber verzeiht man Jane Gardam solche fiktionalen Übertreibungen, denn die Lektüre ist trotzdem bereichernd, anschaulich und humorvoll wird außerdem die oft schrullige Mentalität der Briten dargestellt. Und auch die Weisheit eines langen Schriftstellerlebens ist – last, but not least – eingearbeitet in diesen äußerst vielschichtigen Roman, der genau an seinem Zuviel aber letztendlich scheitert.
Fazit: mäßig
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