Folgt man der Argumentation der Autoren von „Generation Ego“ 1), zeigt uns Christoph Schlingensief, warum heute so wenig Rebellion von der Jugend ausgeht. 2) Ohne Reflexion über die eigene Position, ist man dem Neoliberalismus, dem Markt»geschehen« ausgeliefert, der ein amoralisches System – unfähig sich selbst zu hinterfragen – darstellt.

Solch System bringt massenweise verängstigte, amoralische, „legalistische Lumpen“ 3) hervor, die, rückgratlos ihrem äußeren Glück nachjagend, den Blick nur auf die eigene Äußerlichkeit gerichtet haben. Ich meine, deshalb findet man auch keine Gegenwartsliteratur, die nicht strotzt vor Selbstüberhebung, Bombastik der Codes, die das Geschriebene als hohe Literatur ausweisen und generelle Aufgeblasenheit – im modernen Gestus der Schwärze und Schwere gewandet.

Wenn dann doch ein junger Dichter hervortritt, der den destruktiven kulturellen Einflüssen sich entzieht, grenzt das schon an ein Wunder. Zumal, wenn er, wie Christian Wolf, aus dem universitären Umfeld entspringt, also die Gehirnwäsche der Professoren dort heil überstanden hat, wenngleich wenigstens in den geisteswissenschaftlichen Studienzweigen einige vernünftige Professoren und Professorinnen antreffbar scheinen.

Jedenfalls thematisiert Wolf gekonnt die Prozesse der Sinnentleerung der heutigen Welt, der Entfremdung, superlativer Scheinhaftigkeit, Optimierungsorgiastik und Selbstdarstellung. Dennoch oder gerade deshalb vermag er es, positiv zu bleiben: Den Blick auf die Tiefe der Natur zu richten, auf die Bäume, die Erde. Und auf die Liebe – zur Welt, zur Partnerin, der heißgeliebten. Trotz unserer sinistren Zeit geht also nichts verloren, funkelt der Pfad in die Schönheit verheißungsvoll. Getreu dem Anfangsgedicht des Bandes: Wir könnten // uns Engel sein, / das wäre schon genug, / uns lieben lassen. // Gelänge zumindest die Einseitigkeit, / reißt sich ein Herz auf / und findet unverletzt / mehr als den schlagenden Muskel. // Das Innenfutter der Welt / plötzlich umgewendet, / in die Mitte des Weichen gefallen / und die / Weichen gestellt // für das Gute, // nur ein Schritt / in die richtige Spur // und die nächsten Spuren, / die kommen, // werden // Kristalle der Hoffnung sein.

Manfred Stangl

• Generation Ego, von Bernhard Heinzlmaier und Philipp Ikrath
• Die Demonstrationen gegen den drohenden Klimakollaps der Fridays for Future Bewegung konnten die Wirtschafts- und Meinungsbildungseliten in einen Hip für die Elektroindustrie umleiten
• Comte-Sponville