I hear the sunspot limit 3

Behindert ist man nicht, man wird dazu gemacht

Taichi ist so traurig darüber, dass Kohei Abstand von ihm will, dass ihm der Appetit vergangen ist. Für den ewig Hungrigen ist das etwas noch nie Dagewesenes. Taichis Arbeitskollegen machen sich deshalb Sorgen um ihn. Erst als die ebenfalls schwerhörige Maya ihm sagt, dass Kohei Taichi nicht weiter belasten will und ihm resolut rät, dass er seine Gefühle mit Kohei klären soll, sieht Taichi eine neue Perspektive.

Koheis Mutter hat indessen ein TV- Interview abgesagt, weil es nichts Positives über Gehörlose und Schwerhörige bringen will. Sie sagt Kohei eindringlich, dass er selbst die Hauptrolle in seinem Leben spielt und danach leben und sich nicht zurücknehmen soll.

Ryu dagegen hat überhaupt keine Probleme damit, gehörlos zu sein. Er kommt gut zurecht, hat Freunde und als Kind seinen großen Bruder, der immer für ihn da war. Er ärgert sich über die anderen, die ihn in die Rolle des bemitleidenswerten Behinderten drängen wollen, obwohl er wie alle anderen seinen Job erledigt und seinen Alltag souverän meistert. Aufgrund seines Ärgers baut er aber eine Mauer zu den Hörenden auf. Allerdings merkt er, dass Taichi keine Unterschiede zwischen den Menschen macht und jeden so nimmt, wie er  oder sie ist. Er denkt aber auch über seinen Bruder nach, der Vorurteilen ausgesetzt ist, weil er einen behinderten Bruder hat.

Währenddessen gibt Taichis Chef Chiba einen Kurs für neue Kolleg*innen, damit sie sich in die gehörlosen und blinden Mitarbeiter*innen der Firma besser einfühlen können. Taichi versteht so besser, wie sich die einzelnen Handicaps anfühlen. Währenddessen hat Kohei ein erhellendes Gespräch mit Taichis Großvater. Als Taichi erfährt, dass Kohei bei ihm zuhause war, versucht er ihn einzuholen und sich mit ihm auszusprechen. Auch Ryu spricht sich mit seinem Bruder aus. Dieser erkärt Ryu, dass er sich nicht benachteiligt fühlt, sondern die Gebärdensprache liebt und deshalb einen Beruf ergriffen hat, in dem er mit dieser Sprache arbeiten kann.

Diverse Sichtweisen zum Thema Handicap

Auch in diesem Band steht das Thema Handicap und wie Menschen mit Handicap und Menschen ohne damit umgehen (neben der homosexuellen Liebesgeschichte zwischen Kohei und Taichi) im Vordergrund. Der Band zeigt wieder die Vorurteile auf, denen Menschen mit Handicap immer wieder begegnen, und die Barrieren, auf die sie sowohl im Alltag als auch in den Köpfen der Menschen stoßen. Gerade Japan ist nicht besonders behindertenfreundlich, sodass die momentan stattfindenden Paralympics in Tokio die Hoffnung wecken, dass sich die Einstellung gegenüber Menschen mit Handicap von Vorurteilen weg und hin zum Positiveren wandelt. Auch der Manga will dazu beitragen, indem er z.B. in Form von Ryu zeigt, dass sich Menschen mit Handicap durchaus nicht behindert fühlen müssen und alles erreichen können, was sie wollen – wenn man sie lässt und ihnen echte Unterstützung und nicht bloß Mitleid und aus Mitleid geborene Handlungen zukommen lässt; ganz zu schweigen von Vorurteilen und Benachteiligung. Die Seminare, die Chiba anbietet, indem er Menschen ohne Handicap durch die Nachbildung von entsprechenden Handicaps fühlen lässt, wie sich das anfühlt, können als Vorbild dienen. Wenn man sich in eine andere Person hineinversetzen kann, hilft das schon sehr viel. Außerdem zeigt es, dass Menschen mit Handicap als Kompensierung andere Fähigkeiten ausgebildet haben, die mindestens ebenso wertvoll sind wie die “normalen” und sie quasi Superheld*innen im Alltag sind, weil sie viel mehr leisten müssen als Menschen ohne Handicap. Diese Leistung sollte entsprechend gewürdigt werden. Der Manga versucht also tiefgründig und vielschichtig auf das Thema einzugehen.

Der Fortsetzungsband enthält als Extra weitere in sich abgeschlossene Stories zu den Charakteren der Serie.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

I hear the sunspot – limit 1

Hören versus Schwerhörigkeit

Taichi fällt dem schwerhörigen Studenten Kohei bei ihrer ersten Begegnung quasi auf den Kopf. Nach einer etwas turbultenten Anlaufphase übernimmt der quirlige Student für seinen ruhigen Mitstudenten Kohei die Mitschriften von Vorlesungen, dafür erhält Taichi Mahlzeiten von ihm. So freunden sich die beiden an, und Taichi gewinnt immer mehr Kenntnisse über die Welt von Schwerhörigen und Gehörlosen. Als er ein Arbeitsangebot von einer Firma erhält, die auf die Bedürfnisse von Gehörlosen spezialisiert ist, schmeißt er sein Studium und nimmt die Arbeit an. Kohei dagegen studiert weiter. Das führt dazu, dass sich die beiden immer weniger sehen. Beide bauen sich ihre Welten jenseits des anderen auf. Kohei trifft mehr Gehörlose. Einer der neuen Bekannten geht davon aus, dass die Welt der Gehörlosen und die der normal Hörenden nicht zueinander passen. Dazu kommt, dass sich Kohei in Taichi verliebt hat, Taichi aber noch mit seinen Gefühlen für Kohei kämpft. Als Kohei Fotos von einem Workshop sieht, den Taichi wegen seiner Arbeit besuchen muss, reagiert er eifersüchtig auf Taichics Chef Chiei, der sehr vertraut mit Taichi scheint.

BL und Menschen mit Handicap

Die Folgeserie der BL-Reihe (BL = boys love) “I hear the sunspot” baut ein retardierendes Moment ein, indem sich die beiden Protagonisten kaum sehen, weil sie jetzt in unterschiedlichen Welten leben. Kohei zweifelt immer mehr, ob seine Gefühle für Taichi bei dem energiegeladenen Tollpatsch auf Gegenliebe stoßen. Taichi dagegen wird sich durch seine Arbeit und die damit verbundene räumliche Trennung von Kohei immer mehr bewusst, dass er Kohei liebt.

Zentral in dieser Serie sind 2 Themen: das der homosexuellen Liebe und das der Menschen mit Handicap, die sich in einer Welt zurechtfinden müssen, die für ihre Bedürfnisse nicht ausgelegt ist. Es ist ungewöhnlich, dass diese beiden Themen kombiniert werden bzw. dass Menschen mit Handicap Manga-Protagonisten werden. Solche Manga dürfte es ruhig öfter geben.

Kohei und Taichi machen einen Prozess durch, in dem sie sich ihrer Gefühle bewusst werden. Kohei ist schließlich der erste, der sich ein Herz fasst und Taichi seine Gefühle gesteht. Ein Outing anderen gegenüber findet aber (noch) nicht statt. Taichi braucht noch länger, um sich über seine Gefühle klar zu werden. Der Prozess wird im Manga recht glaubhaft dargestellt. Die Probleme, die Homosexuelle innerhalb der Gesellschaft haben, werden hier also im Gegensatz zu vielen anderen Manga deutlicher angesprochen.

Der mit gutem Aussehen gesegnete ruhige Riese Kohei kommt bei Mädchen sehr gut an, empfindet aber die Kommunikation mit ihnen und anderen normal Hörenden als sehr anstrengend. Er und andere Schwerhörige und Gehörlose kämpfen außerdem mit Vorurteilen: Da sie nichts oder nur wenig hören, gelten sie für andere als arrogant, weil sie sie angeblich ignorieren. Da die meisten “Normalos” keine Gebärdensprache sprechen, sind die Gehörlosen auf Lippenlesen und langsames Sprechen angewiesen. Das erschwert eine Teihabe an ansonsten ganz normalen Dingen wie z.B. einer Vorlesung – Taichi muss mitschreiben, weil der Dozent zu weit weg ist, damit Kohei ihn verstehen bzw. von dessen Lippen lesen kann.

Das stellt der Manga gut heraus: Er spricht an, wie Leute mit Handicap von der Gesellschaft behindert werden, und wie sich Missverständnisse und Vorurteile bilden. Taichi ist Vorbild: Er geht ganz unvereingenommen mit Kohei und anderen Gehörlosen um. Außerdem gelingt es ihm, sich in sie hineinzuversetzen. Kohei kommt Taichis laute und extrovertiert-übertriebene Art zugute: So kann er Taichi hören und seine Gesten besser verstehen. Indirekt wird damit angedeutet, dass jede*r gut ist, so wie sie/er ist. Taichi nervt zwar andere Hörende mit seiner extrovertierten Art, aber bei den Gehörlosen kommt er genau deswegen gut an.

Fazit

Gefühlvolle Manga-Reihe, die die romantische homosexuelle Liebe Schritt für Schritt entfaltet und das Leben mit Handicap gut beschreibt.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!