Ghostly Things 3

Die Natur, das Jenseits und die Menschen

Yashios Freundin erinnert sich eines schönen Tags an ihren toten Bruder. Aber die Erinnerungen werden ihr von einem Spinnennaturgeist aus dem Kopf gezogen, weil er sich daraus ein Nest bauen will. Yashio erfährt, dass diese Geister den Kopf leeren, damit neue Erinnerungen Platz finden. Aber ihre Freundin hängt an ihrem toten Bruder, deshalb will sie ihr die Erinnerungen zurückholen. Außerdem wird ein neuer Torwächtergeist geboren, den Moro und sie in ihre Obhut nehmen, bis er am großen Fest zum Geleit ins Totenreich teilnehmen kann. Das Fest selbst muss noch vorbereitet werden, damit der Heimkehr der Naturgeister ins Totenreich nichts im Weg steht. Vorerst aber findet Yashio durch eine Art Unfall selbst den Weg ins Totenreich. Sie begegnet dem verschwundenen Professor, der das Jenseits erforscht, aber nicht mehr zurückkehren darf. Er gibt ihr den entscheidenden Rat für Yashios Suche nach ihrer Mutter.

Abschlussband

Der letzte Teil der Trilogie fühlt sich nicht wie ein Abschluss an. Er hört für meinen Geschmack zu abrupt auf, denn die Story hat durchaus noch das Potential fortgeführt zu werden: Wie will Yashio ihre Mutter finden, was passiert mit ihren Gegnern und wird Moro tatsächlich seinem Schicksal überlassen? Das wird alles nur zart angedeutet oder findet viel zu schnell und hastig statt, ohne dass man als Leser*in so recht weiß, was und wie einem gerade geschieht. Der Band vermittelt den Eindruck, unter Zeitdruck oder ungeduldig fertig gestellt worden zu sein, sodass am Schluss des Bandes nur noch grobe Storyskizzen möglich waren. Das ist schade, denn die ersten beiden Bände und auch die ersten Teile des Abschlussbandes sind qualitativ hochwertig in den Zeichnungen und der Gestaltung der Story. Ein vierter Band hätte die Geschichte in Würde zum Abschluss gebracht. Man könnte natürlich dafür plädieren, dass das Ende des Bandes ein offenes ist, aber es sprechen o.g. Gründe dagegen, denn selbst ein offenes Ende wird nicht hastig gestrickt. Schade, dass ein runder Schluss für diese wirklich schöne Geschichte fehlt.


Genre: Jenseits, Manga, Natur
Illustrated by Carlsen Manga!

Ghostly Things 2

Mystery mit Nachhaltigkeit

Die Oberschülerin Yachiho hat sich mittlerweile in ihrem neuen Zuhause eingelebt und hilft Moro, dem Wächter der Grenze zwischen Diesseits und Jenseits, bei der Arbeit. Eines Morgens aber überrascht sie die Nachricht, dass ihr Vater kurzfristig nachhause kommt. Von ihm erfährt sie, dass ihre Mutter nach dem verschwunden Professor Tachibana gesucht hat. Yashiho vermutet daraufhin, dass ihre Mutter vieleicht ins Jenseits gegangen ist. Nachdem ihr Vater wieder fortreisen muss, erhält Yashiho einen neuen Lehrer an der Schule: Es ist ausgerechnet Herr Kamo, der Naturgeister zwar auch sehen kann, ihnen aber eher feindlich gesonnen ist. Außerdem kommt ein neuer Naturgeisterjäger hinzu, der diese wie Kamo ebenfalls nicht respektiert: Komei. Yashiho dagegen will immer erst die Gründe für das Handeln der Naturgeister herausfinden, bevor sie einschreitet. So ermöglicht sie einem Spötter einen letzten Gefallen, dämmt diplomatisch die Fähigkeiten der Wasserspender ein und hilft dem Torwächter auf der Suche nach dem Spiegel ins Jenseits.

 

Erst ganzheitlich denken, dann handeln

Wie auch schon im ersten Band gibt es tatsächlich eine Art weibliches und männliches Denken: Kamo und Komei stehen der Natur eher feindlich gegenüber und betrachten sie unter der Kosten-Nutzen-Rechnung. Sie wollen die Natur unterwerfen und sie sich zunutze machen. Gelingt dies nicht, wollen sie sie zerstören. Yashiho dagegen denkt ganzheitlich. Sie will der Natur ihren angestammten Platz lassen und hilft ihr, wo sie kann. Sie will Probleme nicht niederringen, sondern eine Lösung finden, die für alle Beteiligten gut ist. Das macht zwar kurzfristig mehr Arbeit und erfordert Einfühlungsvermögen und weitreichendes Denken, aber dafür sind Probleme endgültig geklärt und nicht nur verschoben oder unterdrückt. Yashiho sieht hinter die Fassade und ist in ihrem ganzen Denken und Handeln Vorbild, auch weil sie alleine lebt und ihren Alltag in all seinen Facetten meistert.

Der Gegensatz dieser beiden Denkweisen ermöglicht die Spannung der Geschichte. Aber auch die Geister an sich, die der japanischen Mythologie entnommen und harmonisch in den Manga eingewebt werden, erzeugen Spannung. Der Manga enthält als Extra Infos zur Mythologie der einzelnen eingeführten Wesen. Die Zeichnungen selbst unterstützen sehr gut und flüssig die Geschichte, sind an passender Stelle dynamisch und untermalen die Stimmungen der Szenen und Figuren gekonnt.

Insgesamt eine runde Sache.

 


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!

Ghostly Things 1

Übersinnliche Wahrnehmung

Oberschülerin Yachiho Takahara musste aufgrund ihres ständig abwesenden Vaters schon früh selbstständig werden. Wieder auf Forschungsreise hat dieser vorher für sich und seine Tochter ein Haus gekauft, das in der Umgebung als Geisterhaus verschrien ist. Yachiho merkt auch schon bald warum: In ihm wimmelt es von Natur- und anderen Geistern. Um sich in der Anderswelt besser zurecht zu finden und um ihre verschollene Mutter zu finden, stimmt sie zu, die Gehilfin des Grenzgeistes Moro zu werden. Außerdem sucht sie in dem Haus, das vorher einem Mann gehört hat, der ebenfalls Geister sehen konnte und zu ihnen geforscht hatte, nach der “Schrift des Totenreiches”. Denn auch diese Schrift könnte Hinweise zum Verbleib ihrer Mutter geben.

Mensch, Natur und Technik

Wie in Irland, aber auch in Deutschland, sind Geister und Naturwesen wesentlicher Bestandteil von Sagen und Mythen. So auch in Japan, das einen reichen Mythenschatz zu besitzen scheint. Und dieser wird auch gern für Mangas und Animes angezapft und verarbeitet. Man denke nur z.B. an Studio Ghiblis Animes “Prinzessin Mononoke” oder “Pompoko”, in denen es vorwiegend um den Streit zwischen den (technisierten) Menschen und der Natur geht. Auch dieser wird in dem vorliegenden Manga in Form des Herrn Kamo angesprochen. Er vertritt im Gegensatz zu Yachiho die Auffassung, dass man mit Naturgeistern nicht einträchtig zusammenleben kann. Er hält sie für gefährlich und v.a. will er deren Fähigkeiten kontrollieren und für die Technik zunutze machen. Seine Einstellung gegenüber Natur(geistern) ist feindselig, die von Yashiho offen und freundlich, obwohl sie sich auch fürchtet.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Geschlechterverteilung. Die naturfreundliche Einstellung wird von der Frau vertreten, die naturfeindliche vom Mann. Bezieht man das auf die Literatur über Matriarchat und Patriarchat, so scheinen erstere mit der Natur und zweitere gegen die Natur zu leben. V.a. das Patriarchat hat eine Neigung dazu, die Natur unterordnen und beherrschen zu wollen, sich über die Natur zu erheben und sich von ihr unabhängig machen zu wollen – koste es, was es wolle. Im Manga wird das durch folgenden Dialog zwischen Herrn Kamo und Yashiho deutlich: “Du verstehst da offenbar etwas falsch! Naturgeister besitzen Kräfte, die den Menschenverstand übersteigen. Das sind keine Wesen, mit denen man einträchtig zusammenleben kann. Doch wenn man ihre Kräfte auf diese Weise kontrolliert, dann werden sie zu Werkzeugen, die mit großartigen Technologien ausgestattet sind.” (Kamo) “Naturgeister sind vielleicht furchteinflößend, aber das heißt doch nicht, dass man mit ihnen nicht auskommen kann. Bitte lassen Sie die beiden frei!” (Yashiho)

Yashiho ist hier vorbildhaft. Sie steht für das Gewissen, für die Verbundenheit mit der Natur, und sie stellt sich gegen eine Herrschermentalität, die keinen Raum für ein friedliches Miteinander lässt und deswegen Schaden in allen Bereichen anrichtet. Auch das wird im Manga weiter ausgeführt: Sehr behutsam lässt der Baumgeistlehrer sich seine kleinen Baumgeisterschützlinge in ihrem eigenen Tempo entwickeln und leitet sie an, anstatt sie mit Wissen vollzustopfen (man denke z.B. an die Montessouri-Pädagogik oder die des offenen Konzepts in Kitas) und schiebt deshalb seinen Tod auf, während Herr Kamo den Baumgeist, der sich vordergründig am langsamsten entwickelt, hintergründig aber eine Tiefe beweist, die den anderen noch fehlt, vorsätzlich mit seinem Schuh zertritt.

Da schwingt Kritik mit, wie der (patriarchale) Mensch mit der Natur umgeht, die die Heimat und nährende Mutter für alle Lebewesen ist – auch für den Menschen. Das lateinische “mater” für “Mutter” steckt wie auch “materies” für u.a. “Holz” in dem Begriff “Materie”…

Offen sein für Dinge, die die Wissenschaft (noch) nicht nachweisen kann

Ein weiteres Thema ist das des Mediums, das in der Lage ist, eine Welt wahrzunehmen, die für die meisten anderen verschlossen ist. Da kommen einen fernsehaffine Medien wie Ira Wolff, Theresa Caputo, Tyler (Hollywood-Medium) oder Thomas John in den Sinn – wobei man hier kritisch anmerken könnte, dass diese ihre Gabe (sofern tatsächlich vorhanden) hochpreisig verkaufen. Ich würde behaupten, dass bei Medien, die tatsächlich mit ihrer Umwelt verbunden sind, auch die Preise für jederfrau/-man erschwinglich sind.

Eine grundsätzliche Offenheit für ein Mehr als die Wissenschaft bisher bestätigen kann, ist aber wohl von Vorteil. Denn die Technik scheint bzgl. aller (Natur-)Phänomene hinterherzuhinken. Allerdings muss man sich hier (wie sonst auch) vor Scharlatanen hüten.

Der Manga greift das Thema Medium auf, aber auch die Angst solcher medial begabter Menschen vor einer Welt, die sie aus o.g. Gründen nicht zu verstehen gelernt haben. Auch Yashiho hat Angst, aber sie stellt sich ihrer Angst und ist bereit dazuzulernen.

Der spannende Manga ist der 1. Band einer Reihe, die von den gut auf den Inhalt abgestimmten Zeichnungen mehr verspricht.

Fazit

Die Themen der medialen Begabung und des Konflikts “(patriarchaler) Mensch versus Natur” werden im ersten Band der Reihe stimmig und spannend umgesetzt.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen Manga!