Drei starke Frauen

Fanal der Selbstbehauptung

Die erfolgreiche französische Schriftstellerin Marie NDiaye hat mit «Drei starke Frauen» ganz offensichtlich einen Nerv der Zeit getroffen, das als Roman deklarierte Buch wurde 2009 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet. In Frankreich war es, trotz seiner eher deprimierenden, feministischen Thematik, ein auch politisch aufgeladener Bestseller. Gemeinsam ist den Frauen in den nur sehr lose verbundenen drei Erzählungen ihre unbeirrbare Würde, mit der sie scheinbar stoisch ihr Schicksal ertragen. Keine Wohlfühl-Lektüre also, aber als feministischer Weckruf ein wichtiger Beitrag zur nach wie vor nicht realisierten Emanzipation des vorgeblich schwachen Geschlechts.

Im ersten Teil besucht die vierzigjährige Anwältin Norah widerstrebend ihren herrischen Vater in Dakar. Der Patriarch hat sie eilends herbeigerufen, damit sie seinen über alles geliebten Sohn aus dem Gefängnis hole, er habe nach seiner desaströsen Firmenpleite kein Geld mehr für einen Verteidiger. Norahs Bruder soll seine Stiefmutter erwürgt haben, mit der er eine Liebesaffäre hatte. Im Mittelteil geht es um Fanta, die mit Rudy, ihrem französischen Mann, von Dakar nach Frankreich in die Provinz gezogen ist, sie langweilt sich dort und scheint aus ihrer kaputten Ehe ausbrechen zu wollen. Im letzten, äußerst dramatischen Teil versucht die 25jährige Khady, deren Mann plötzlich verstorben ist und die nun bei den Schwiegereltern wie eine Sklavin gehalten wird, illegal nach Frankreich einzuwandern.

Den drei ganz unterschiedlichen Frauen, die sich nicht unterkriegen lassen, stehen drei gewalttätige, völlig gefühllose Männer gegenüber, die sich letztendlich dann eher doch als ziemlich schwach erweisen. Die Anwältin Norah muss zuhause einen ebenso liebenswürdigen wie parasitären Partner mit durchfüttern. Ihr einst erfolgreicher Vater und auch ihr nichtsnutziger, vom Vater verhätschelter Bruder widern sie an, sie würde am liebsten sofort wieder zurückreisen. Der Total-Versager Rudy, aus dessen Perspektive anschließend erzählt wird, ist ein aus dem Schuldienst entlassener Lehrer, der nun als Küchenverkäufer schon wieder einer Kündigung entgegensieht. Er versinkt in einen alles vernichtenden Exzess aus Selbstmitleid, in den auch mystische Symbolik hineinspielt. Seine völlig desillusionierte Frau Fanta, die vor den Scherben ihrer Ehe steht, erträgt all das mit einer trügerischen Gelassenheit. Und auch in der Flucht-Geschichte fällt einem jungen Mann eine eher schäbige Rolle zu. Er steht Khady zwar bei der Flucht hilfreich zur Seite, stiehlt ihr letztendlich aber dann doch all ihr durch Prostitution für die Flucht aufgespartes Geld. Sie bleibt in ihrem Elend zurück, während er sich rücksichtslos allein nach Frankreich durchschlägt.

Marie NDiaye erzählt ihre drei archaisch anmutenden Geschichten in einem nicht gerade angenehm lesbaren, hypotaktischen Stil, wobei sie das Geschehen allerdings sehr bildhaft zu schildern versteht. Sie taucht dabei tief in die Psyche ihrer Figuren ein und legt eindrucksvoll die komplizierten Macht-Strukturen im Verhältnis der Geschlechter ebenso bloß wie auch die verzwickten Familien-Verhältnisse. Einen nicht unwesentlichen Anteil am Narrativ haben Dämonen und Engel, die wie selbstverständlich in das Geschehen eingebaut sind. So steigt beispielsweise Norahs despotischer Vater allabendlich in den Flammenbaum, wozu auch immer. Oder der Versagertyp Rudy wird mehrfach von einem Bussard angegriffen und einmal sogar verletzt. Und in Visionen aus der Kindheit sitzen dann auch schon mal Dämonen auf jemandes Bauch, was mutmaßlich als pädophile Anspielung zu deuten ist. Die Autorin hat ihr Buch, das eher als Erzählband denn als Roman zu bezeichnen ist, ihr «hellstes» genannt, was angesichts seiner düsteren Thematik doch sehr verwundern muss. Aber auch wenn zuweilen langatmig erzählt wird, ist dieses Fanal der Selbstbehauptung als Lektüre durchaus lohnend und mit seiner Flüchtlings-Problematik nach wie vor sogar hochaktuell.

Fazit: lesenswert

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Genre: Roman
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