1984

George Orwell’s 1984 in Neuübersetzung

George Orwell’s 1984. Neuübersetzung. „Alle Kinder sind Schweine.“ Es ist ein heller, kalter Apriltag und die  Vorbereitungen für die allmonatliche Hasswoche laufen auf Hochtouren. Winston Smith, 39, ist nur ein kleiner, weiterer Mitarbeiter im „Ministerium für Wahrheit“ und er begeht eines der größten Verbrechen dieser totalitären Gesellschaft der Zukunft: er verliebt sich.

1984: Liebe in Zeiten des Krieges

Eigentlich ist es vielmehr Julia, die sich in ihn verliebt, steckt sie ihm doch insgeheim einen Zettel zu auf dem die drei so aufrührerischen, aber eigentlich harmlosen Worte stehen. Ich liebe dich. Aber im ENGSOZ der Zukunft gilt dies schon als gefährlich. Zudem wenn man auch noch Tagebuch führt und glaubt, man könne dies von der allgegenwärtigen Gedankenpolizei geheim halten. Eigentlich gibt es sogar vier Ministerien. Aber das beängstigendste ist das Ministerium der Liebe. Es hat keine Fenster. Die anderen Ministerien heißen Frieden und Fülle und alle vier haben sie ihre eigenen Abkürzungen im Neusprech des Engsoz. Es wird viel Gin getrunken und es darf auch geraucht werden. Der Markennamen lautet jeweils Victory. Denn das ist auch die Losung im Krieg gegen Eurasien: Sieg. Aber auch im Inneren tobt ein Krieg. Ein Krieg gegen die Bruderschaft, der ein gewisser Emmanuel Goldstein vorsteht. Äußerlich ähnelt er von der Beschreibung her Trotzki, was den Großen Bruder aber noch lange nicht zu einem Stalin macht. Alle die in Opposition sind werden verdampft. Vaporisiert, wie es im Original heißt. Und täglich rauchen die Kamine.

Orwell’s Dystopie des homo hominis lupus

George Orwell hat 1948 einen Roman geschrieben, der heute noch als Klassiker der Dystopie gilt. Er nahm Anleihen beim Nationalsozialismus und beim Stalinismus, ohne direkt darauf Bezug zu nehmen. Denn was in 1984 passiert, könnte überall passieren, in jeder Gesellschaft, in jedem Jahrhundert. Auch das 21. Jahrhundert ist nicht gefeit davor, was Orwell in so treffenden Worten wie kein anderer beschrieben hat: homo hominis lupus. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Selbst die (unschuldigen) Kinder machen mit und werden zu gemeinen Denunzianten, jagen ihre Beute wie Hunde. Werden zu Schweinen. Auch Winston war ein solches. Er ließ seine Schwester und seine Mutter im Stich. Jetzt plagt ihn sein Gewissen. Er will rebellieren. Doch letztendlich besteht seine Revolte darin, ein verbotenes Buch zu lesen und Julia zu lieben. Der einzige Trost, der ihm bleibt, ist, sie nicht zu verraten: „Ein Geständnis ist kein Verrat. Was man sagt oder tut, ist nicht entscheidend, nur Gefühle zählen. Wenn sie mich dazu brächten, dich nicht mehr zu lieben – das wäre der wahre Verrat.“

Im Anhang befindet sich auch eine genaue Erklärung des Engsoz Neusprech, dessen wichtigste Vokabeln längst Eingang in unsere Alltagssprache gehalten haben. Man denke nur an Doppeldenk, Big Brother oder Thinkpol. 1984ist eine Offenbarung. Man kann es nicht oft genug lesen.

George Orwell

1984 – Roman

Neuübersetzung von Eike Schönfeld

2021, Gebunden, 382 Seiten

ISBN: 978-3-458-17876-7

Insel Verlag

D: 20,00 € / A: 20,60 € / CH: 28,90 sFr


Genre: Dystopie, Roman, Science-fiction
Illustrated by Insel Frankfurt am Main

Farm der Tiere

Der Mensch ist ein Schwein

George Orwell ist durch seine 1945 veröffentlichte sozialkritische Fabel «Farm der Tiere» weltbekannt geworden, ihr folgte wenig später mit «1984» eine ebenso berühmte politische Dystopie. In scharfer Form attackiert der englische Autor in seiner märchenartigen Geschichte von der Machtübernahme der Tiere auf einer englischen Farm den sowjetischen Kommunismus, schon in seinem Buch «Mein Katalonien» über seine Kriegserlebnisse während des Spanischen Bürgerkriegs hatte er vehement gegen den Stalinismus angeschrieben. Nun war aber die UDSSR als Alliierter im Zweiten Weltkrieg quasi sakrosankt, jedwede Kritik unerwünscht, die Veröffentlichung dieser dezidiert sowjetfeindlichen Fabel erwies sich als recht schwierig. Was der überzeugte Sozialist Orwell zum Anlass nahm, in einem Nachwort ein leidenschaftliches Plädoyer für die Pressefreiheit zu halten und die Servilität seiner Landsleute dem verbündeten Russland gegenüber heftig anzuprangern.

Dieses Buch ist eine Parabel auf die Geschichte der Sowjetunion, die auch hier mit einer Revolution der Unterdrückten gegen die herrschende Klasse beginnt, auf dem Bauernhof der Fabel verkörpert durch den Menschen, der die Tiere brutal ausbeutet. Nach einem Traum von einer besseren Zukunft ruft der alte Eber als Primus inter Pares die Tiere der Farm zu einer nächtlichen Versammlung in die Scheune, er erzählt begeistert seinen Traum und fordert alle zur Revolution auf. Der Mensch sei die Wurzel ihres Übels, er müsse nur verjagt werden, dann könnten die Tiere die Farm übernehmen und in eigener Regie ausschließlich zum eigenen Nutzen betreiben, so seine Vision. Ihre Revolte ist erfolgreich, alle Menschen werden von der Farm verjagt. Charismatischer Nachfolger des verstorbenen alten Ebers wird nun Napoleon, er und seine Artgenossen erweisen sich als die schlauesten und übernehmen die Führung der tierischen Genossenschaft. Man legt Regeln für das künftige Zusammenleben fest, ein Denksystem, in dem alle gleiche Rechte und Pflichten haben, formuliert als «Animalismus» in sieben Geboten, die in Großbuchstaben an die Wand der Scheune gemalt werden. Trotz einiger herber Rückschläge gedeiht die «Farm der Tiere», allen geht es deutlich besser als unter den Menschen. Allmählich aber bröckelt der hehre Gleichheitsgrundsatz, Napoleon wird immer selbstherrlicher, die Schweine entwickeln sich zu einer neuen Oberschicht und bekommen ständig mehr Privilegien. Am Ende verbrüdern sie sich gar mit den Menschen, die sie eigentlich doch allesamt aus England fortjagen wollten. In einer feuchtfröhlichen ersten Zusammenkunft erklärt ihr menschlicher Nachbar den Schweinen: «Sie müssen sich mit unteren Tieren herumstreiten und wir mit den unteren Klassen», er löst damit bei allen schallendes Gelächter aus.

«Alle Tiere sind gleich, einige Tiere aber sind gleicher als andere» stand jetzt auf der Scheunenwand geschrieben, die sieben Gebote waren von dort verschwunden. In dieser allegorischen Darstellung des Bolschewismus stehen viele Figuren stellvertretend für Größen des Stalinismus, von Stalin selbst, den das Schwein Napoleon verkörpert, bis zu Lenin, Trotzki und Molotow. Es wimmelt nur so von politischen und soziologischen Anspielungen, ergänzt von einem hintersinnigen Symbolismus, ein reichhaltiges Feld also für Interpretationen aller Art. So ist der überraschende Angriff der Menschen auf die Farm eine Anspielung auf das Unternehmen Barbarossa, die Schlussszene weist auf die Teheran-Konferenz im Jahre 1943 hin.

George Orwell gelingt das Kunststück, seine entlarvende Gesellschaftskritik in einer lockeren, gar nicht märchenhaften Sprache sehr anschaulich zu erzählen, er versteckt seine brisante Thematik der menschlichen Korrumpierbarkeit geschickt in einer harmlos wirkenden, häufig sehr amüsanten Erzählweise. So wartet auf den Leser dieses weltberühmten Buches neben der wenig überraschenden Erkenntnis, der Mensch ist ein Schwein, auch einiges an Lesevergnügen.

Fazit: erfreulich

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Kurzprosa
Illustrated by Diogenes Zürich