Minimum

»Deutschland stirbt aus!« warnt Frank Schirrmacher und dramatisiert in »Minimum« das drohende Sterben einer Nation durch fehlende Brut. Wir leben immer länger, wir zeugen kaum noch Nachwuchs; und vor allem gebärfreudige Frauen, die Träger der Familien als Urzellen der Nation, fehlen auf allen Betten und Matratzen. Uralte Kinder erleben ihre bald hundertjährigen Eltern, doch jeder dritte Verbund bleibt ohne Nachwuchs. Die Brutöfen sind kalt. Siegfrieds einstmals kriegerische Erben sind müde geworden. — Armes Deutschland! —

»Na und?« mag man ungerührt fragen. Ganze Kontinente kämpfen mit der explodierenden Bevölkerung, und wir beklagen mangelnde Fruchtbarkeit! — Fakt ist: aus dem einstigen »Volk ohne Raum« wird schleichend aber unaufhaltsam ein Raum ohne Volk. Deutschland hat mittelfristig nur eine Überlebenschance: als multinationaler Mischmasch. — Ist das wirklich ein derartig schmerzliches Szenario, dass wir zur Abwehr wieder Mutterkreuze und Abschussprämien stiften sollten? —

Vielleicht siedeln in Zukunft kinderreiche Mongolenstämme zwischen Rhein und Weser! Vielleicht treiben anno 2112 tibetische Hirten zottelige Yaks über die Schwäbische Alb! Vielleicht leiten schwarzafrikanische Voodoo-Priesterinnen dann in Berlin das Fruchtbarkeitsministerium und konservieren germanisches Sperma zur völkerkundlichen Dokumentation in Kryobanken!

Solange in allen Bereichen deutlich wird, dass Kinder eine kaum zu tragende wirtschaftliche Last mit ungewissen Zukunftschancen sind und es an attraktiven Hortplätzen und Schulen mangelt, wird kaum einer aus selbstloser Verantwortung gegenüber dem gesellschaftlichen Ganzen bereit sein, zusätzlich ein Dutzend Kinder in die Welt zu setzen und aufzuziehen. Bevölkerung entwickelt sich natürlich, Appelle halten ebenso wie Anreize keinen Untergang auf. Wie eines schönen Tages keine Saurier mehr auf dieser Erde grasten, und die Hochkultur der Maya im Orkus verschwand, so geht auch das Volk der Dichter und Denker früher oder später den Bach hinunter und wandert ins Geschichtsbuch.

Es sei denn, es sei denn, es sei denn … Frank Schirrmacher weist in seinem nächsten Buch den Weg aus der Misere und rettet good old germany.


Genre: Politik und Gesellschaft
Illustrated by Blessing München

Minimum

Mit seinem Bestseller »Das Methusalem-Komplott« thematisierte Frank Schirrmacher das Phänomen einer rapide alternden Gesellschaft. Mit »Minimum« legt er den Finger auf die wunde Familie und das drohende Sterben einer Nation durch fehlenden Nachwuchs. Auch mit diesem Buch gelingt es ihm, demografische Entwicklungen populär zu veranschaulichen.

Der Autor sieht in der aktuellen gesellschaftlichen Situation Parallelen zum Jahre 1945: heute müsse sich Deutschland ebenso wie nach Kriegsende um einen Wiederaufbau bemühen; es gelte, die Familie als existentielle Kraft wieder zu beleben, um das Land neu zusammen zu setzen. — Warum? — In naher Zukunft seien fast siebzigjährige Kinder mit ihren noch lebenden Eltern unterwegs, von denen bereits ein Drittel gänzlich ohne Enkel bleibe. Eine Welt, in der wir aber aufgrund steigender Lebenserwartungen siebzig Jahre lang Kinder sein können und in der gleichzeitig Kinder als nachwachsende Ressource fehlen, sei so ungewöhnlich, dass uns dafür im Augenblick sogar noch die Begrifflichkeit fehle, schreibt Schirrmacher.

Eine Gesellschaft ohne Kinder ist eine sterbende Gesellschaft, das bedarf keiner Erläuterung. Dabei lässt sich nachweisen, dass nur durch den Kontakt mit Kindern das Bedürfnis, selbst Kinder haben zu wollen, geweckt wird. Abhängig ist dies bereits von den Familienverhältnissen der Elterngeneration: wachsen Kinder mit jüngeren Geschwistern auf, entsteht eine Fürsorgemotivation, die sich bei Erwachsenen in höherer Kinderliebe und stärkerem Kinderwunsch ausdrückt — und umgekehrt! Daraus folgt: immer weniger Kinder werden später immer weniger Nachwuchs produzieren wollen, Familienbande reißen, Sippen erlöschen, der Staat zerfällt.

Die heutige von Telenovelas erzogene Elterngeneration hat vor dem Hintergrund sozialer Krisen und kultureller Konflikte andere Interessen, als ausgerechnet Kinder in die Welt zu setzen. So schließt sich der Kreis, den Schirrmacher schlägt. Dabei weist er leider keine Wege, wie sich die Erkenntnis, wonach Blut dicker ist als Wasser, in konkretem Kindersegen niederschlagen könnte. Aber vielleicht erklärt er in seinem nächsten Buch, wie Deutschland vor titanischem Untergang und sozialem Bankrott bewahrt werden kann?


Genre: Politik und Gesellschaft
Illustrated by Blessing München