Newman: Bilder aus Amerika

Marvin E. Newman blickt auf das Amerika 1951-2023

Newman. Der vor einem Jahr verstorbene “Sports and Street Photographer”, wie ihn die New York Times in ihrem Nachruf vom September 21, 2023
nannte, huldigt in vorliegendem XL Bildband vor allem der Metropole New York, wo er 1927 auch geboren wurde. Newman wurde 95 Jahre alt.

Originelle Tableaus und neue Perspektiven

Als Straßenfotograf bezeichnet man einen Fotografen, der fähig ist auf die Impulse eines Moments adäquat zu reagieren und einen bestimmten Augenblick mit seiner Linse zu erhaschen. Rund 170 Fotos zeigen in vorliegendem Prachtband, dass Newman eine unbestechlich makellose Technik und einen Blick für Menschen in New Yorker Stadtansichten, Sportaufnahmen und Impressionen aus anderen Teilen der USA hatte. Die erste große Retrospektive der Karriere dieses bemerkenswerten Straßenfotografen, der außerhalb eines namhaften Sammler- und Galeriekreises weitgehend unentdeckt blieb. Lyle Rexer ist ein in New York ansässiger Schriftsteller, Kurator und Kunstkritker, der das Vorwort geschrieben hat. Herausgeber Reuel Golden, ehemaliger Chefredakteur des British Journal of Photography, ist Editor für Fotografie bei TASCHEN. Für TASCHEN hat er unter anderem den spektakulären Titel Mick Rock: The Rise of David Bowie herausgegeben.

Amerika 1951-2024: R.I.P.

Die beiden zeigen Marvin E. Newman, der bei Institutionen wie dem Eastman House, dem MoMA und dem International Photography Center einen exzellenten Ruf genoss, als Porträtisten der „Greatest City in the World“, New York City, vom Times Square bis zur Wall Street. Auch wenn der Fotograf am Chicagoer Institute of Design (Ex New Bauhaus Chicago) sein Studium (“Master of Science in Fotografie”) absolvierte, kehrte er doch gerne wieder in die Weltstadt zurück, um ihre Entwicklung zum Inbegriff des Weltkulturerbes und Kosmopolitismus fotografisch zu begleiten. Im Unterschied zu seinen Vorgängern wählte Newman erstmals die Farbfotografie als bevorzugtes Medium. Damit wollte Newman die lebendige Atmosphäre des grünen Apfels noch besser eingefangen, als dies zuvor schon gelungen war.

Newman: Bilder für Herz&Hirn

New ways of perceiving and representing reality“, sei die Aufgabe von Fotografie, wie es der Emigré László Moholy-Nagy, ein Lehrer Newmans ausdrückte. Ein Bild mit “Chicago South Side 1950” betitelt zeigt drei Kinder, ein schwarzes, ein weißes und in der Mitte eines mit Maske. Ein anderes die ganz in Schwarz gehüllte Jackie Kennedy neben ihrem Schwager Robert vor dem Sarg ihres Mannes. Die ersten Fotos zeigen seinen Studienort Chicago, dann Fotos aus seinen Sommern in New York, wo er etwa das San Gennaro Festival in Little Italy porträtierte. Der Strand von Coney Island 1953, wo Leute noch in Liegestühlen lagen, um sich zu bräunen, was heute nicht mehr möglich ist, war damals en vogue.

Newman’s Land: von New York nach Kalifornien

Die Lichtspiele des Broadways in Reflexion, darauf ein Spieltisch aus Las Vegas und ein Übergang zum Zirkus als Sujet. Sogar in Alaska hat Newman seine Kamera ausgepackt und die ersten Inuits fotografiert, was damals noch nicht oft passierte. Vom Heartland an die Wall Street zum Sport, wo auch einige Bilder des jungen Muhamed Ali gezeigt werden. Schließlich noch nach Kalifornien, das 1966 bereits als gelobtes Land gefeiert wurde. Wenn du zu Fuß gegangen wärst, hätten sie dich aufgehalten, schmunzelt Newman über die Motorisierung der damaligen Jugend. Aber auch die Schattenseiten lichtete Newman ab.

Newman: “it’s a crazy word to use…romantic”

Ein Besuch der Mustang Ranch für seinen Auftraggeber Look zeigt Prostituierte von ihrer romantischen Seite. Newman fiel auf, wie sie ihre Zimmer “it’s a crazy word to use…romantic” gestalteten oder vor einer Jukebox ohne Schuhe tanzten. Fotos des Times Square, der 42nd Street, schließt den Band ab: Jeder war nur dort, um zu sehen, was am Times Square so passiert. Originelle Tableaus und neue Perspektiven auf vertraute New Yorker Wahrzeichen aber auch Impressionen aus anderen Regionen der USA.

Impressionen Amerika 1951-2023

unter anderem aus Chicago und Kansas, von einem alten Zirkus aus den Fünfzigerjahren, aus einem Bordell in Reno Nevada, aus Las Vegas, Alaska und dem Kalifornien des 20. Jahrhunderts, sowie Aufnahmen aus seinem Sportfotografie-Portfolio mit Ikonen wie Cassius Clay und Pele werden in vorliegendem Band gezeigt. Ein Essay des Kritikers und Wissenschaftlers Lyle Rexer würdigt die erste chronologische Retrospektive eines herausragenden Talents und liefert denkwürdige Bilder für das Auge und viel Nahrung für das Gehirn . Bei TASCHEN ist auch “New York: Portrait of a City” von Newman erschienen.

Marvin E. Newman, Lyle Rexer, Reuel Golden
Marvin E. Newman
2024, Hardcover, XL (25 x 36 cm), 2.66 kg, 240 Seiten
ISBN 978-3-8365-9912-2
Ausgabe: Englisch
TASCHEN Verlag
€ 60


Genre: Amerika, Fotografie
Illustrated by Taschen Köln

50 Jahre Der Pate

50 Jahre Der Pate. 14. März 1972: Weltpremiere “Der Pate“. Der Pate auch als The Godfather im deutschen Sprachraum bekannt wird 50. Gemeint ist weder die Figur des Vito “Don” Corleone” noch die Romanvorlage, sondern der Film von Francis Ford Coppola, der 1972 veröffentlicht wurde. Der Roman selbst kam wenige Jahre vorher, 1969, auf den Markt. Ein guter Grund für eine Re-Lektüre. “Jeder kennt den grandiosen Film. Nur wenige wissen: Der Film ist so gut, weil die Romanvorlage genial ist. Jetzt zum Wiederentdecken!” So wirbt der Verlag für seine schöne Ausgabe in scharlachrotem Cover. Mit Blutstropfen am Revere.

Geschichte eines Aufstiegs in Amerika

Als ich als Jugendlicher den Roman vor beinahe ebenfalls 50 Jahren das erste Mal las, blieben mir vor allem zwei Szenen in Erinnerung: Der abgeschnittene Pferdekopf im Ehebett und die Verengungsoperation einer gewissen Signora. Was mir auch in Erinnerung blieb ist die Tatsache, dass viele Sizilianer ihre Insel für besetzt hielten und sich deswegen zu einer Mafia zusammenschlossen, die nur Einheimischen offen stand. Damals hatte ich allerdings noch keinen Begriff von der Mafia und ihren Geschäftszweigen und machte mir kein Kopfzerbrechen über Corleones Ablehnung mit Drogen zu handeln. Der Anschlag auf sein Leben wird nämlich dadurch verursacht. Seine Söhne Michael und Sonny rächen zwar ihren Vater, können die Entwicklung, die das organisierte Verbrechen nach der Aufhebung der Prohibition aber auch nicht aufhalten. Haben sie also eine andere Wahl?

50 Jahre Der Pate

Don Vito Corleone war noch ein Mafiaboss der alten Schule: Er setzte sich für Hilfsbedürftige ein und kämpfte für Gerechtigkeit für die Seinen. Aber natürlich sind seine Einnahmequellen nicht mit dem katholischen Glaubensbekenntnis vereinbar: Don Vito Corleone verdient sein Geld mit Glücksspiel, Bestechung, Erpressung, Schmuggel und Alkoholhandel. Er hatte nach seiner Flucht aus Sizilien ein Imperium aufgebaut und nun sollen es seine Söhne übernehmen. Aber nicht um jeden Preis.

Lieblingszitate aus dem Paten für den Alltagsgebrauch

Der Pate wurde zu einem internationalen Bestseller mit mehreren Millionen verkauften Exemplaren. Die Verfilmungen von Francis Ford Coppola, für die Mario Puzo mit ihm die Drehbücher schrieb, wurden weltweit sogar von über eine Milliarde Zuschauer gesehen. Gerne werden immer wieder Zitate aus dem Buch und den Filmen im Alltag verwendet. Und es gibt längst mehrere Best of Listen der beliebtesten Zitate aus dem Paten. Wir halten uns hier an die Originalsprache. Das bekannteste ist wohl: “Some Day, And That Day May Never Come, I Will Call Upon You To Do A Service For Me.” Wer einen Gefallen verlangt, der muss auch damit einverstanden sein, dass er eines Tages zurückgefordert wird. Der Satz klingt wie eine Drohung, ist aber ein offenes Versprechen, denn der Tag kommt ja vielleicht doch nicht. “Revenge Is A Dish Best Served Cold.” Ein Zitat das auch Tarantino in “Kill Bill” verwendete mag zwar nicht vom Paten erfunden worden sein, aber er machte es mit Sicherheit populär.

I Believe In America.

Zuletzt vielleicht sei noch das kürzeste Zitat aus dem Paten erwähnt: “I Believe In America.” Die Worte in dessen Zusammenhang dieser Satz fällt sind voll beißender Ironie und Zynismus, denn Amerika, das Land der Verheißung, kann für manche auch das genaue Gegenteil bedeuten. Und für die Rache für das Geschehene ist es dann wohl doch gut, einen Vito Corleone zu haben. Wer macht sich schon gerne selbst die Hände schmutzig?

Mario Puzo hat mit seinem Roman ein Werk geschaffen, von dem man wohl noch in 100 Jahren sprechen wird. Wer dann noch mitreden möchte, sollte so bald wie möglich das Buch lesen.

 

MARIO PUZO
Der Pate. Roman
(Originaltitel: The Godfather)
Aus dem amerikanischen Englisch von Gisela Stege
Mit einem Vorwort von Francis Ford Coppola
640 Seiten | Gebunden mit Farbschnitt | Großformat 12,5 x 20,5 cm
€ (D) 24,90 | sFr 34,– | € (A) 25,60
ISBN 978 3 311 12510
Kampa Verlag


Genre: Amerika, Aufstieg, Krimi, Literaturverfilmung, Mafia, Roman
Illustrated by Kampa