Die besten Wochen meines Lebens

begannen damit, dass eine Frau mich verließ, die ich gar nicht kannte.

die besten Wochen meines Lebens..... Den Rekord für den längsten Buchtitel dürfte der französische Autor Martin Page damit wohl halten. Zum Glück braucht sich aber auch trotz etlicher Kritikpunkte der eher schmale Band, hinter diesem Mammut-Titel nicht zu verstecken. Mit diesem Roman ist dem Autor eine bittersüße und subtile Komödie gelungen.

Im Mittelpunkt steht Virgile, ein durch und durch neurotischer, hypochondrischer junger Mann aus der Pariser Werbebranche. Ein Stadtneurotiker, wie er im Buche steht. Virgile ist es gewohnt, von den Frauen, die er liebt, sitzen gelassen zu werden. Das kriegt er stets aufs Neue ganz wunderbar hin. Aber dieses Mal ist es irritierend anders. Auf seinem Anrufbeantworter findet er eine Nachricht von Clara, die ihm ihre gemeinsame Zeit aufkündigt und ihn verlässt. Dumm nur, dass Virgile sich überhaupt an keine Clara und schon gar nicht an eine Beziehung mit ihr erinnern kann. Zunächst sucht er -der erfahrene Hypochonder- die Erklärung in einer unheilbaren Krankheit, die ihn gewiss alsbald hinwegraffen wird. Er kündigt Strom, Gas, Telefon und wo er schon mal dabei ist, direkt die ganze Wohnung und geht auf Abschiedstournee bei seinen Freunden. Nachdem ihm aber alle Ärzte einwandfreie Gesundheit bescheinigen, erkennt er, dass ein Heilungsprozeß viel zufriedenstellender verläuft, wenn man gar nicht wirklich krank ist. So trifft er eine unerwartete Entscheidung: Er will diese Frau finden, für sich gewinnen und erobern, er ist sich sicher, er verpasst sonst die wahre Liebe. Abermals dumm nur, dass er darüber die ganzen voreilig ausgesprochenen Kündigungen vergisst und das Unheil seinen Lauf nehmen muss. So wird Virgile schliesslich zum abgedrehten Hauptdarsteller in einer noch abgedrehteren Geschichte.

Martin Page erzählt diese Geschichte sehr elegant und ohne jede Sentimentalität. Was er dabei aber nicht abstreifen konnte, ist der leicht prätentiös elitäre, dünkelhafte Hauch des Pariser Oberschichten-Intellektuellen. Die durchschimmernde Arroganz alleine schon daran erkennbar, dass er sich jedwede Beschreibung der Umgebung spart. Wer Paris nicht kennt, Pech gehabt. Braucht erst gar nicht hier mit Lesen anfangen. Aber – Paris ist die Stadt aller Städte, die wird ja wohl jeder kennen. Ebenso blasiert, dazu aber auch noch banal kommt Virgile daher. Es grenzt fast an ein Wunder, dass einem dieser sich hinter seinem Zynismus versteckende Charakter schon nach wenigen Seiten so ans Herz gewachsen ist, dass man ihn nur allzu gerne den Höhlenforscherhelm überstreifen sieht und ihn auf seinen solchermaßen ausgestatteten Streifzügen durch den Monoprix begleitet. Selbst die ewig zitierten Weisheiten von Marc Aurel nimmt man in Kauf, um ja bloß zu erfahren, ob es mit so einem wie Virgile noch ein gutes Ende nehmen kann. Denn bei aller Egozentrik ist Virgile kein Menschenfeind. Das zeigt schon sein chronisch schlechtes Gewissen, weil er meint, sich mit der Werbung maßgeblich an der Zerstörung der Welt durch Konsum zu beteiligen und seine ehrliche Sorge um das Wohlergehen seiner engsten Freunde.

Es ist ein eigenartiges Buch. Ich könnte ohne Ende rumkritteln. An der Geschichte, die sich manchmal überschlägt, manchmal aber seitenlang als höchste Abwechslung nur die Wahl der Getränke bietet. Rumkritteln an reichlichst aufgestoßenen Türen, die nicht wieder geschlossen werden, wenn sie überhaupt zeigen, was sich dahinter verbirgt. An dem Geheimnis, welches so unendlich trivial aufgelöst wird. Und am Ende bleibt dieselbe Erkenntnis wie bei einem Woody Allen Film: Man findet tausend Dinge, die einem nicht passen, die nerven und doch bleibt man gebannt sitzen, liest oder schaut weiter und muss zugeben, bestens unterhalten worden zu sein und sich ungerne von Virgile und seinen Freunden verabschieden zu wollen. Denn bei allen Kritikpunkten ist der Roman weit mehr als eine Stilübung. Mit Charme, trockenem Humor und dem Sinn für das Nicht-Erwartbare schafft es der Autor, den Leser in Virgiles Bann zu ziehen.


Genre: Romane
Illustrated by Piper München, Zürich