Carole & Tuesday

Selbstverwirklichung

Die 17-Jährige Tuesday hat nur einen Wunsch: Sie will Musik machen! Aber innerhalb ihres strengen Elternhauses ist das nicht möglich. Deshalb reißt sie von zuhause aus und versucht ihr Glück in der Mars-Hauptstadt Alba City. Dort trifft sie zufällig auf Carole, die als Straßenmusikerin versucht, ein wenig Geld in die Kasse zu spülen. Tuesday ist von Caroles gefühlvollen Keyboardklängen begeistert und hat sofort einen Liedtext im Kopf. Sie zieht bei Carole ein und beide versuchen mit ihren Stimmen, der Gitarre und dem Keyboard sich anzunähern. Um die Akustik zu testen, spielen sie ihr neues Lied schließlich illegal in einer Konzerthalle. Dort nimmt ein Mitarbeiter ein Video der beiden auf, das sofort viral geht. Die Zuhörer*innen spüren trotz aller Anfängerfehler sofort die Seele (den Soul) der Musik, der durch die KI-produzierten Lieder abhandengekommen ist.

Der Soul der Musik

Der 1. Band der Reihe, die auf dem gleichnamigen Anime beruht – ansonsten ist es meist umgekehrt, denn zuerst wird der Manga veröffentlicht, auf den bei Erfolg ein Anime folgt – ist eine Mischung aus Science-Fiction-Manga und einem Manga über das Künstler*innendasein, in dem Fall über Musikerinnen und die Schwierigkeiten, einer Leidenschaft nachzugehen und damit auch noch Geld zu verdienen. Er zeigt schon im ersten Band, welche Hindernisse überwunden werden müssen, um bekannt zu werden. Dabei geht es hauptsächlich um das Künstlerische; die Science-Fiction bildet nur den Rahmen der Geschichte.

Bemerkenswert finde ich, dass nicht nur zwei Frauen die Hauptfiguren stellen, sondern dass eine der beiden auch noch dunkelhäutig ist. Das findet man in Manga, v.a. als Hauptperson, selten. Aufgrund der vielen Hautfarben, die es schon seit jeher gibt, und wenn man bedenkt, dass die helle Hautfarbe eigentlich nur eine Mutation der dunklen ist, um sich an nordische Klimaverhältnisse anzupassen, sowie weiter sinniert, dass die Vorfahren der Menschheit aus Afrika stammen, sollte es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass man diese Vielfalt an menschlichem Dasein auch in der Literatur abbildet. Dem ist aber leider nicht so; es gibt hier noch viel Handlungsbedarf.

Spinnt man den Faden weiter, ist es aufgrund der düsteren Geschichte nicht selbstverständlich, dass eine dunkelhäutige und eine weißhäutige Figur quasi sofort eine Freundschaft eingehen. Sie bilden zwar ein schwarz-weißes Duo, aber dieses ist nicht im Sinne des engstirnigen Schwarz-Weiß-Denkens zu verstehen, sondern ganz im Gegenteil wie die beiden sich ergänzenden Teile des Yin und Yang.

Ebenfalls ein wichtiges Thema ist die Seele der Musik (Soul). Man denke an die Musikrichtung Soul, die mit afroamerikanischen Menschen verknüpft wird. Da schon in der Gegenwart Musik gern technisiert wird, nimmt der Manga diesen Trend auf und führt ihn in letzter Konsequenz ad absurdum: Technik, selbst wenn sie noch so ausgefeilt ist, kann menschlichen Soul nicht ersetzen. Wenn der Soul fehlt, ist die Musik letztlich leer und bietet keine Seelennahrung, was eigentlich ihre Aufgabe ist.

Insgesamt ein gelungener, schöner Manga zum Thema Musik und Künstler*innendasein im Setting der Science-Fiction.


Genre: Manga, Musik, SF