Naturparfum – Balsam für Körper, Geist und Seele

Ademi, J: Naturparfum - Balsam für Körper, Geist und Seele

Gut verständliches, schön gestaltetes Buch mit vielen Hintergrundinfos

Autorin Josephine Ademi gibt einen leicht verständlichen und fundierten Einblick in die Herstellung von Naturparfums, angereichert mit Hintergrundwissen. Sie fängt mit der Grundlage des Riechens an, der Nase. Der Geruchssinn ist ein komplexer Sinn, der uns vor Gefahren schützt. Deshalb – und das ist das Besondere – dringen Düfte fast ungefiltert und schnell ins Gehirn vor. Gerüche erhöhen aber auch die Lebensqualität. Die Riechschleimhaut fällt dadurch auf, dass sich auf einem sehr kleinen Bereich eine sehr große Menge an spezialisierten Zellen tummeln. Auf jeder Riechzelle sitzen 15-20 Riechhärchen und auf jedem dieser Härchen ca. 350 Geruchsrezeptoren. Duftmoleküle kommen als elektrischer Impuls im limbischen System an. Dort sitzt auch das Erinnerungsvermögen. Deshalb ist Erinnertes, auch Vergessenes, durch Gerüche abrufbar.

Ätherische Öle sind quasi flüssiges Gold und werden in der Naturparfümerie und im therapeutischen Bereich genutzt. Die Herstellung von reinen ätherischen Ölen ist mit viel Aufwand verbunden. Deshalb werden einige Öle teurer gehandelt als Gold. Duftstoffe werden von den Pflanzen produziert, um Insekten anzulocken. Sie dienen aber auch der Abwehr von Keinem, Pilzen und Bakterien, als Energielieferant, Informationsträger und Schutzschild vor Fressfeinden. Sie erzeugen ein für die Pflanze perfektes Mikroklima, das sie besser vor Wettereinflüssen und Temperaturschwankungen schützt.

Den Menschen dienen ätherische Öle zur Herstellung des Wohlbefindens oder zur Gesunderhaltung/Gesundung von Körper und Seele. Im körperlichen Bereich wirken sie antibakteriell, antiviral, antimykotisch, sind krampflösend, schmerzlindernd und hustenlösend. Außerdem beeinflussen sie die Verdauung, fördern die Durchblutung, wärmen und kühlen. Im psychischen Bereich können sie beruhigend (u.a. Lavendel), anregend oder stimmungsaufhellend sein. Alle Zitrusöle z.B. haben stimmungsaufhellende Eigenschaften. Baum- und Holzdüfte stärken und fördern die innere Stabilität.

Nach den o.g. Grundlagen widmet Ademi einen Teil des Buches der Darstellung der Gewinnung der Naturöle (Wasserdampfdestillation, Kaltpressung, Enfleurage-Methode, Extraktion mit Lösungsmitteln, Kohlendioxid-Extraktion, Herstellung von Resinoiden) und der Sprache der Parfümerie (angelegt als kleines Lexikon), den Duftfamilien (z.B. blumig, holzig, aromatisch, orientalisch…) und der Duftkonzentration (z.B. Eau de Fraiche, Eau de Cologne, …).

Dann gibt sie Einblicke in die Herstellung von Naturparfüms: Was bedeuten Basisnote, Herznote, Kopfnote? Wie harmonieren diese Noten miteinander in der Parfumherstellung? Welches sind die Basisstoffe für die Herstellung von Naturparfüms? Was braucht man als Zubehör?

Damit sich Leser*innen einen Überblick über die verschiedenen Düfte verschaffen können, hat Ademi 45 Portraits von gängigen ätherischen Ölen alphabetisch geordnet. Wie das ganze Buch ist auch dieser Teil optisch sehr ansprechend gestaltet und klar gegliedert, was sowohl die Übersichtlichkeit als auch das optische Wohlbefinden fördert. Die Fotos der Pflanzen oder Pflanzenbestandteile sind in Form von Öltropfen gestaltet, die zart gehaltene Hintergrundfarbe Lila entspannt. Die wichtigsten Informationen sind als eine Art Steckbrief gestaltet. Ausführlicher behandelt werden die Beschreibungen der Öle und deren psychische Wirkung. Die Symbole am Rand weisen auf die o.g. Noten hin.

Feminin? Maskulin?

Was mir persönlich nicht so gut gefällt, ist die Aufteilung in feminine und maskuline Düfte. Das verstärkt Rollenklischees. Warum soll z.B. nur das Feminine „die Zärtlichkeit und Hingabe zum Ausdruck“ bringen (S. 74)? Ich würde mir keinen Mann wünschen, der das nicht kann! Und die Rose wird automatisch der Frau zugeschrieben: „Als klassischer Vertreter der Herznote findet Rosenöl in Naturparfums vor allem in femininen Mischungen seinen Platz.“ (S. 92) Als „Duft der Liebe“ (S. 93) ist das Öl doch für alle Geschlechter geeignet! Ich persönlich mag den Duft von Sandelholz, lese aber „In Duftkompositionen eignet es sich für holzig-warme Herrendüfte mit klassischer Eleganz.“ (S. 97) Ademis Herrenduft „Fanny Voice“ habe durch die Moschuskörner „etwas Anziehendes und Animalisches“. Sieht man sich frühere Göttinnen wie u.a. Kali oder Sachmet an, gibt es da genug „Anziehendes und Animalisches“ für Frauen! Diese göttlichen Frauen waren nämlich beileibe nicht unterwürfig, zart und anschmiegsam. Kurz gesagt: Düfte an sich sind wie Farben neutral. Deshalb würde ich hier auch in Hinblick auf Transsexualität, Genderfluid, Hermaphroditen usw. eine Unterteilung in Charaktere bevorzugen. Es wird im Alltag noch genug in nur zwei Geschlechter unterteilt und Rollenklischees zementiert, obwohl die Welt seit jeher deutlich vielgestaltiger ist. Die auch in diesem Buch ausdrücklich in den Ölen propagierte Natur bevorzugt als Überlebensprinzip Diversität – warum machen wir es ihr in unserem Weltbild bis heute nicht nach? Immerhin wird Weiblichkeit nicht nur als zart definiert: „Ihr feuriges Temperament (Tuberose) ist für mutige Duftkreationen geschaffen, die Weiblichkeit und Sinnlichkeit offenbaren.“ Hier wird der ebenfalls seit jeher existierende Mut der Frauen zumindest angesprochen. Die Autorin unterteilt folgerichtig ihre Parfumkreationen zum Nachmischen in „Naturparfums für Sie und Ihn“ (S. 111). Aber immerhin gibt es auch einige Rezepte, die mit „unisex“ betitelt sind.

Als Abschluss des Buches sind 140 ätherische Öle auf einen Blick in Form einer Tabelle dargestellt, was die schnelle Auffindbarkeit erleichtert, wenn man zu diesen wichtige Informationen sucht.

Fazit

Das Buch bietet einen prägnanten Überblick über ätherische Öle und deren Verwendung in Parfums, liefert viele interessante Hintergrundinformationen, ist gut verständlich und übersichtlich geschrieben und gibt Tipps für eigene Duftkreationen. Weniger gut finde ich die Unterteilung der Düfte in „feminin“ und „maskulin“, da sie den tatsächlichen menschlichen Gegebenheiten nicht entspricht und Rollenklischees befördert. Auch wenn diese Bezeichnungen zur Parfumherstellung gehören: Ein Umdenken und Umgestalten des Systems wäre angebracht. Schließlich ist nichts in Stein gemeißelt, sondern alles eine Erfindung des Menschen, die änderbar ist. Die Diversität der Natur macht es uns seit jeher vor!


Genre: Sachbuch ätherische Öle
Illustrated by Joy Verlag