Robinson Crusoe. Neu übersetzt und ungekürzt.

Robinson Crusoe, der Roman in Neuübersetzung. “To be born is to be wrecked on an island“, schrieb James Matthew Barrie und meinte damit vielleicht nicht unbedingt Robinson Crusoe alleine, wiewohl er bestimmt schon von ihm gehört hatte. Denn jede/r kennt Robinson Crusoe. Aber die wenigsten kennen ihn im Original oder ungekürzt, was die hier vorliegende Prachtausgabe in Leinen des mare Verlages nun erstmals auch deutschen Leser/innnen ermöglicht.

300 Jahre Robinson Crusoe

Der Roman (Erstveröffentlichung 1719), der vor rund 300 Jahren von Daniel Defoe (1660-1731) geschrieben wurde, wird zumeist der Abenteuer- oder Jugendliteratur zugerechnet. Jedoch wurde sowohl dem Autor als auch dem Werk damit großes Unrecht zugefügt. Schließlich war Defoe schon 59 Jahre alt als er Robinson Crusoe verfasste und hatte durchaus auch ein reales Vorbild in der Person von Alexander Selkirk, den der Journalist in der Bahia Cumberland kennenlernte, gefunden. Zudem war Defoe ja schon zuvor, also vor Robinson Crusoe, als Journalist und Autor in Erscheinung getreten. Dennoch gilt sein Spätwerk als der “erste Abenteuerroman” der europäischen Literaturgeschichte. Dies ist vor allem den zumeist gekürzten und vereinfachten Versionen, die in deutschsprachigen Ländern in Umlauf sind, verschuldet. Wer sich dem “Klassiker der Meeresliteratur” in seiner ganzen epischen Breite widmet, wird feststellen, dass zwischen seinen Buchdeckeln auch sehr viel Weisheit liegt und nicht nur die Sprache, sondern auch das Denken, das darin enthalten ist, sehr modern ist. Natürlich ist eine deutsche Übersetzung immer noch kein Original, aber dem hält Günther Wessel im lesenswerten Nachwort entgegen, dass die englische Sprache sich – in den letzten 300 Jahren – sehr viel weniger verändert habe als die deutsche. Gerade das habe aber eine Neuübersetzung des zuletzt 1973 (!) ins Deutsche übersetzten Textes zwingend erforderlich gemacht. Und so können wir in der Version von Rudolf Mast endlich einen Text in Händen halten, der so nahe wie möglich am Original ist und so vielleicht für weniger Missverständnisse sorgt wie bisher. Denn auch der Defoe angekreidete “Kolonialismus eines Konquistadors” (Crusoe “benennt” Freitag und sich “Herr”) kann dadurch relativiert werden, dass Defoe sich Zeit seines Lebens gegen die damals und heute durchaus übliche Ausländerfeindlichkeit einsetzte in seinem Gedicht “The true-born Englishman” diesen Ausdruck als “a contradiction in terms, in speech an irony, in fact fiction” bezeichnete. Das klingt doch sehr modern für 17. Jahrhundert. Eine klare Absage an Rassismus und Rassenlehre also.

Neuübersetzung nahe am Original

Daniel Defoe hat aber nicht nur eine literarische Gattung begründet, sondern sie zugleich auch lust- und absichtsvoll zerstört, wie ich Günther Wessel beipflichten möchte. Denn nicht nur dass eigentlich sehr wenig Abenteuer im Abenteuerroman schlechthin enthalten ist (genau genommen nämlich nur am Anfang und am Ende), sondern vielmehr noch steckt in Robinson Crusoe, dem Roman, die Sehnsucht nach der Ferne, zugleich aber auch die Weltflucht und Kontemplation, die vielleicht einige Jahrhunderte später genau jene Revolution auslöste, die die Herrschaft der Könige und Kaiser beendete. Denn die 28 Jahre, die Robinson Crusoe, der Mensch, auf der Insel verbrachte hatten ihm vielleicht genau jene Einsicht eingebracht, die vielen von uns auch heute noch fehlt: schau nicht auf das, was dir fehlt, sondern auf das, was du hast. Und so gesehen sind wir alle Glückliche, egal auf welcher Seite des Lebens wir stehen, denn leben selbst ist das größte Geschenk, das uns nur einmal (im Leben) gereicht wird. Wenn wir auch nicht alle das (Un-)Glück haben, auf einer einsamen Insel zu stranden, um uns der wesentlichen Dinge des Lebens bewusst zu werden, ist Robinson Crusoe, der Roman, doch eine gute Gelegenheit eben dorthin zu entfliehen. Zumal die Ausgabe des mare Verlages nicht nur ungekürzt und so nahe am Original wie möglich ist, sondern auch noch in einer wunderbaren bibliophilen Ausgabe gedruckt wurde und im Schmuckschuber auch Reisen schadlos überstehen kann.

Daniel Defoe
Robinson Crusoe
Roman
(Originaltitel: The Life and Strange Surprizing Adventures of Robinson Crusoe)
Aus dem Englischen von Rudolf Mast
2019, Leineneinband im Schuber, 416 Seiten
ISBN: 978-3-86648-291-3
Mare Verlag
42,00 €

 

 

 

 

 

 


Genre: Abenteuerroman, Jugendliteratur, Neuübersetzung
Illustrated by Marebuchverlag Hamburg