Lakonisch erzählter, vielfach verschachtelter Kriminalfall aus Norwegen um Kindesentführungen und —morde eines unberechenbaren Psychopathen, der von einem gemütlichen älteren Kommissar und einer von ihm spontan als Profilerin auserkorenen Psychologin gesucht wird. Die Fachfrau von der geisteswissenschaftlichen Fakultät ist überdies mit einem düsteren Justizirrtum aus der Vergangenheit des Landes beschäftigt, hier geht es um die unschuldige Verurteilung eines angeblichen Kinderschänders. Auf dem Höhepunkt des Romans laufen die Handlungsstränge zusammen und verweben sich elegant.
Der Text lässt dem Leser viel Freiraum für eigenes Überlegen und Mutmaßen, er lädt regelrecht zur persönlichen Stellungnahme ein und wirkt damit alles andere als glatt gegossen. Die sachkundige Autorin hebt weniger das kriminalistische Genie Einzelner in den Himmel, sie beleuchtet vielmehr ihre Fälle von möglichst vielen Seiten und aus den unterschiedlichsten Perspektiven und wirkt insofern auch realistischer als andere skandinavische Kriminalschriftsteller. Hier müht sich, anders als bei Mankells Starkommissar Wallander, kein Polizist als Alter Ego des Autors. Holt reportiert spannende Fälle und leuchtet sie facettenreich und fachkundig aus.
Dieser Roman trifft dich wie ein Pfeil – mitten ins Herz. Zufällig bin ich darauf gestossen, bei einem Stand vor einem Buchladen mit herunteresetzten Büchern. Nachdem ich es gelesen hatte, war ich tagelang ergriffen von der Schönheit und Einfachheit dieses Romans. Man findet darin alles, was einen Menschen ausmacht und umtreibt. Zum Ende hin fügt sich alles und doch ist dieser Roman niemals kitschig oder melodramatisch. Hier findet sich die gesamte Spielwiese des menschlichen Alltags, sensibel eingetütet in Verständnis gegenüber Neurosen aller Arten. Ich habe stille Tränen vergossen, laut herausgelacht, war nachdenklich und bestürzt, alle Gefühlsebenen wurden bedient. Am Ende wusste ich: dies ist ein Buch, welches ich weitergeben möchte, an alle, die mir am Herzen liegen. Da es in Buchgeschäften leider nicht mehr erhältlich ist, habe ich es ca. 20x gebraucht erstanden und alle Exemplare mittlerweile weiterverschenkt zu Geburtstagen oder Weihnachten. Die Feedbacks waren wie erwartet: nicht einer der Beschenkten war nicht berührt und dankbar für dieses ganz besondere Werk an Tragik, Komik und Weisheiten. Für mich ein Klassiker, der sich bedenkenlos mit den ganz großen Meistern der Literatur messen kann. Eine Geschichte, die Spuren hinterlässt und die Welt damit etwas besser macht.
Vielen Dank für deine Gedanken. Ich neige in letzter Zeit auch dazu, lesenswerte Bücher gebraucht zu erwerben und zu verschenken. Gerade in der Corona-Zeit hat manch eine*r das Lesen als wundervolles Hobby wiederentdeckt.