Der wegen Mordes verurteilte Sektenführer Daniel Pell ist ein Manipulator ersten Ranges und auch in Gefangenschaft noch höchst gefährlich. Er hatte vor seiner Festnahme eine Gruppe von jungen AnhängerInnen um sich geschart und seine Taten (das Auslöschen einer fast kompletten Familie) erinnern fatal an die Morde von Charles Manson. Nun soll Pell im Zusammenhang mit einer weiteren Straftat von der Bundesagentin und Expertin für Verhörtechniken Kathryn Dance vernommen werden; ein Umstand, den der Bösewicht zu einer blutigen Flucht nützt. Schnell wird klar, dass der Ausbruch nur mit Unterstützung von außen gelingen konnte und so installiert man ein Team unter der Leitung der „Menschenleserin“, um den Entflohenen gleich wieder dingfest zu machen. Kathryn gräbt sich tief in Pells Vergangenheit ein, hofft sie doch, mit Hilfe der ehemaligen Sektenmitglieder Zugang zur Denkweise des Soziopathen zu erlangen. Der Plan ist zunächst erfolgreich, man kommt ihm rasch auf die Spur, aber der erfolgreiche Zugriff mag dennoch nicht gelingen. Etwas ist immer anders als es zu sein scheint und das gilt nicht nur für die Gegenwart…
Mit „Die Menschenleserin“ legt der Autor den ersten Roman mit Kathryn Dance in der Hauptrolle (sie hatte bereits einen Gastauftritt in „Der gehetzte Uhrmacher“) vor und es ist ein exzellentes Debüt. Die Protagonistin fasziniert mit ihrer außergewöhnlichen Fähigkeit als menschlicher Lügendetektor, sie erkennt an Haltung, Körpersprache und Stimme, wann jemand die Unwahrheit sagt.Allerdins ist das keine übernatürliche Wahrnehmung, sondern durchaus wissenschaftlich fundiert; der Fachausdruck dafür lautet Kinesik.
Das Buch ist mitreißend und spannend, intelligent geschrieben und – wie stets bei diesem Autor – voller unerwarteter Wendungen, die den Leser zwar staunend, aber nicht ratlos zurücklassen. Die Figuren sind komplex gezeichnet und damit ist der Grundstein gelegt für ihre künftige Entwicklung in weiteren Werken dieser Reihe, ähnlich wie bei den Lincoln-Rhyme-Romanen. Freunde ansprechender Kriminalliteratur dürfen sich also freuen, denn in einem Brief an die Leser hat Deaver versprochen, nach einem neuen Abenteuer mit dem gelähmten Forensikexperten ein zweites Buch mit Kathryn Dance folgen zu lassen. Bis dahin wäre es allerdings erst einmal angebracht, dass sich ein Verlag dazu entschließt, endlich „Garden of Beasts“ auch auf Deutsch zu veröffentlichen, ein packender Thriller, der in Berlin während der Nazi-Diktatur spielt.
Interessierten Lesern sei auch die offizielle Website des Schriftstellers empfohlen: http://www.jefferydeaver.com
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