Sie kennen das Buch? Sind Sie sicher? Oder kennen Sie vielleicht die (sehr gute) Verfilmung dieser Geschichte durch den dänischen Regisseur Gabriel Axel? Dann kennen Sie die Handlung — aber Sie kennen das Buch nicht. Das aber sollten Sie unbedingt kennen lernen.
Die Geschichte der französischen Köchin Babette, die nach der Zerschlagung der Pariser Kommune nach Norwegen flieht, für zwölf Jahre die Haushälterin zweier asketisch in einer streng protestantischen Dorfgemeinschaft lebenden Schwestern ist, kann schnell erzählt werden. Aber die Geschichte ist doch so reich, wie die Handlung scheinbar schlicht ist. Die Französin blieb für diese zwölf Jahre in der norwegischen Einöde durch ein Lotterie-Los mit ihrer Heimatstadt Paris verbunden. Dieses Los verhilft ihr nun nach all den Jahren zu einem stattlichen Gewinn von 10.000 französischen Francs. Babette lädt aus diesem Anlass die Schwestern und die gesamte asketische Protestantengemeinde zu etwas für diese Menschen schier Unbeschreiblichem ein: zu einem französischen Dîner. Und sie kocht meisterlich. In die Kälte und Öde des norwegischen Dörfchens und in die Askese seiner Bewohner bricht etwas Warmes, Reiches und zutiefst Sinnliches ein: ein kulinarisches Fest auf höchstem Niveau. Die Einwohner ihrerseits ahnen schon kurz nach der Einladung zum Essen Böses und schwören sich gegenseitig darauf ein, den Abend furchtbar zu finden und der Versuchung und der Sünde nicht nachzugeben. Daraus wird nichts. Aus Ablehnung wird Skepsis, diese verwandelt sich im Verlaufe des Abends und im Fortgang der Gänge des Menüs in Seeligkeit und Glück. Etwas Neues, Fremdes hat Einzug gehalten — und hat alles verändert.
Das Buch hat 80 Seiten. Lesen Sie es an einem Nachmittag, an dem Sie Ruhe haben. Trinken Sie einen guten Tee oder Kaffee dabei. Die Lektüre dauert nicht lange — aber sie sollte in einen Abend münden, an dem Sie sich etwas Schönes gönnen. Und sei es ein wunderbares Essen — aber nicht allein! Auf jeden Fall werden Sie nach der Lektüre das Textzitat, das auf der Rückseite des Buches steht, verstehen: »Diese Frau verwandelt ein Dîner im Café-Anglais in eine Art Liebesaffäre — eine Liebesaffäre von der edlen, romantischen Sorte, wo man nicht mehr unterscheidet, was körperliche und was geistige Begierde und Sättigung ist.«