Dr. Alexander Korte ist leitender Oberarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der LMU in München. Seit Jahren publiziert er über Erfahrungen mit seinen PatientInnen. Er reflektiert dabei den wissenschaftlichen Hintergrund und gesellschaftliche Entwicklungen, etwa die Rolle der sozialen Medien und die dort gezeigte Pornographie.
Im Vorwort stellt er heraus, dass es ihm um die Freiheit der Wissenschaft gehe; „nicht um eine gendergerechte Wohlfühlwelt um den Preis der Wahrheitsfindung“, also die Realität „Hinter dem Regenbogen“. Seine Erfahrungen mit unwissenschaftlichen Gegenbehauptungen werden dargestellt und evidenzbasiert begründet widerlegt.
Das Buch umfasst 411 Seiten, 30 davon sind Literaturangaben. Er stellt den Stand dar zur Forschung der Rolle psychiatrischer Störungen der Kinder und Jugendlichen, die sich wegen Genderdysphorie vorstellen. Besonders lesenswert ist die Zusammenfassung der Entwicklungsaufgaben aller Pubertierender in unserer Gesellschaft, mit ihren Facetten; den neurologischen und psychologischen. Er erklärt die Wirkungsweise und Rolle der Hormone, auch der Pubertätsblocker. Hier schreibt ein Autor, der mit Jugendlichen spricht und ihre Antworten, teils im O-Ton, wiedergibt.
Geschrieben wurde das Buch bis Juli 2024, das Selbstbestimmungsgesetz war verabschiedet worden, trat dann am 1.11. d.J. in Kraft. Es sieht Geschlecht als Identitätsangelegenheit, über die Jugendliche ab 14 Jaren entscheiden und die sie jährlich ändern können. Kortes Streben nach fundierten wissenschaftlichen Debatten vor der Verabschiedung wurde als transphob geächtet und verhindert. Schon Definitionsfragen, etwa, was ein biologisches Geschlecht ist, wurden hinterfragt, auch in populären Printmedien. Für ihn ist „Geschlecht körperliches Merkmal, das sich aus der Fortpflanzungsfunktion ergibt.“ Und: Kann ein Geschlecht „umgewandelt“ werden? Korte weist daraufhin, dass die Betroffenen bis an ihr Lebensende die gegengeschlechtlichen Hormone nehmen müssen, auch wenn sekundäre Geschlechtsmerkmale operativ angeglichen sind.
Im Buch werden im ersten und letzten Drittel die verschiedenen Facetten dieses Kulturkampfes dargestellt. Korte holt weit aus, es geht nicht nur um Leitlinien seiner medizinischen Fachgesellschaft, er hat auch eine Meinung zur gendergerechten Sprache. Wer sich für die Hintergründe des Versuchs wissenschaftlicher Gesellschaften Leitlinien zu modifizieren, erfährt viel. Oder über Bestrebungen für eher medizinische Interventionen als psychotherapeutische. Auch über Interessen der pharmazeutischen Industrie an Sexualhormonen, oder den Markt für geschlechtsangleichende Operationen, die 2019 in den USA als Wachstumsmarkt mit 25% Chancen auf Steigerung gesehen werden.
Der Rezensentin, die als Kinderärztin Jahre vor der Entwicklung von Pubertätsblockern berentet wurde, hat das Buch viele Fragen beantwortet. Besonders das Unterkapitel: “Geschichte der pädiatrischen Gendermedizin-Eine Tragödie in mehreren Akten.“ Das Buch ist nicht leicht zu lesen, manche Bandwurmsätze, immer wieder kommt durch, wie angefasst er ist, wenn wissenschaftlichen Erkenntnissen populäre Meinungen entgegengesetzt wurden.
Er begrüßt das Gesetz für Volljährige, kritisiert aber, dass es für minderjährige Jugendliche gilt, ab 14 Jahren gar, obwohl dann gerade Entwicklungsaufgaben anstehen, die abgeschlossen sein sollten, bevor das Geschlecht dauerhaft gewechselt wird. Die Langzeitwirkungen dieser Hormonbehandlungen, etwa auf die Knochenbildung sind kaum erforscht, auch die psychischen Leiden dauern an. Er zitiert die Empfehlungen der Staaten, die Hormonbehandlung und auch Operationen, die das Aussehen dem gewünschten Geschlecht angleichen, erst für Volljährige vorsehen. Vom Aus der Tavistock Klinik in London nach Klagen Betroffener wird im Detail geschrieben.
Über die Zunahme der gender dysphoria und ihrer Folgeerscheinungen gibt es aktuelle Daten, etwa derer (vor allem Mädchen), die nicht schon vor der Pubertät psychotherapeutisch betreut wurden, sondern erst während der Pubertät den Wunsch nach einem Wechsel des Geschlechts verspüren; also der Rapid Onset Gender Dysphoria.
Wer den eigenen Umgang mit Pubertierenden reflektieren möchte, könnte im zweiten Drittel beginnen: Der Titel: Pubertätskrise—Die Leiden der jungen Generation am eigenen Geschlecht. Er hebt hervor, wie unterschiedlich alle Mädchen oder Jungen ihre Entwicklungsaufgaben angehen, dass für Mädchen Sexualität eher Beziehungsarbeit ist als für Jungen. Eine Menarche fühlt sich anders an als Samenergüsse. Warum sind inzwischen 80% der „trans-kids“ Mädchen? Ohne aber einen Penis haben zu wollen. Es geht um ihre Rolle als Frau in der Gesellschaft.
Ein Beispiel, teils mit Originalzitaten: während Jungen sich über ihren Penis freuen, wenn er groß ist und nach Rasur der Schamhaare erst recht gut sichtbar wird, nehmen Mädchen ihre Vulvalippen als unansehnlich wahr, vor allem nach Rasur der Scham. Das gängige Schönheitsideal ist: kleine Vulvalippen, die bei Bedarf auch so operiert werden können. Der Wunsch nach Pubertätsblockern will unliebsame Veränderungen des Körpers aufhalten, wie es schon von der Anorexie bekannt ist.
Auch Menschen, die Pubertierende in der heutigen Gesellschaft erleben und begleiten, können das Buch mit Gewinn lesen. Und sie werden auf die Bedrohung der Freiheit der Wissenschaft aufmerksam gemacht.
Der Regenbogen über dem Bundesministerium
Ein Jahr später-Nachwort der Rezensentin
Dass das Gesetz schon ab 14 Jahren gilt, scheint ein deutscher Sonderweg. Auch im November 25 wird dies auf der Webseite des Ministeriums nicht erwähnt. Auf die vorgegebene Frage, was es in anderen Ländern gibt, heißt es immer noch: „Ja. Insgesamt gibt es in über 16 Ländern vergleichbare Gesetze oder entsprechende Regelungen.“ Die dann aufgezählt werden. Davon, dass andere Länder, z. Bsp. das UK und skandinavischen Ländern und einige US-Staaten diese widerrufen haben, steht nichts. Dabei wird von immer mehr Ländern gefordert, Hormontherapien von Studien begleiten lassen, manchmal für Therapien und auch „geschlechtsangleichende“ Operationen die Volljährigkeit abzuwarten.
Ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes und ein halbes Jahr nach Wechsel der Ministeriumsleitung geht es immer noch „um eine gendergerechte Wohlfühlwelt um den Preis der Wahrheitsfindung.“