Der Jurist Roth entschließt sich, einen Sommer in Niendorf, einem Ortsteil von Timmendorfer Stand zu verbringen, um ein Buch zu schreiben. Er will mit seiner Familie abrechnen und hat dazu umfangreiches Material zusammengetragen, das es zu sichten gilt.
Sein Ferienquartier wird ihm von Breda, einem schmierigen Verwalter zugewiesen, dessen verkommene Erscheinung an einen Alkoholiker erinnert. Tatsächlich hat dieser Herr neben der Aufgabe, einige Appartements zu verwalten und jeden Abend die Strandkörbe ordentlich auszurichten, ein Likördepot, in dem er selbst sein bester Kunde zu sein scheint. Gleich gegenüber einer Gedenktafel, die an ein Treffen der Literaturgruppe 47 erinnert, bietet er in seinem Ladengeschäft Weine, Liköre und Spirituosen feil, die Roth unbedingt kosten soll.
Gestärkt von Rum-Cola, Dosenbier und Fischbrötchen setzt Roth sich nun daran, dutzende Tonbänder abzuhören, um seine große Familiensaga zu Papier zu bringen. Obwohl er ihn anfangs zu ignorieren sucht, gerät er im Laufe der Zeit immer mehr in die Fänge Bredas, mit dem er zunehmend Zeit verbringt.
Seine wachsende Einsamkeit sucht er durch den Kontakt mit einem einstigen Seitensprung zu bekämpfen. Doch die erneute Begegnung mit der Dame führt zu schaler Leere und beglückt ihn nicht. In einem Restaurant verguckt er sich dafür in die dralle Kellnerin, deren Freund dem Stalker jedoch eines Abends die Nase zerschlägt.
Breda stellt ihm derweil seine Freundin Simone vor, die er über das Datingportal »Rubensfan« kennenlernte. Doch Roth träumt immer noch von seinem schriftstellerischen Durchbruch, von seinem Autoren-Coming-Out unter der Schirmherrschaft der Gruppe 47.
Der Roman zeigt seine Veränderung und wachsende Zuneigung zu dem verkommenen Schnapshändler und seiner Freundin, er dokumentiert den Verfall seines Wertesystems und seiner Weltsicht.
Nun ist Heinz Strunk bekannt für unglaublich dichte und atemberaubend geschriebene Sittengemälde wie er es in seinem Werk »Der Goldene Handschuh« geliefert hat. Er kann menschliches Leid und die Beschreibung des sozialen Niedergangs geschickt mit einer Ebene der literarischen Hochkomik verknüpfen, die das Ganze erträglich macht. In diesem Fall plätschert der Roman allerdings vor sich hin und bekommt erst im letzten Drittel jene Milieudichte, die der Leser vom Autor wohl zu Recht erwartet.
»Ein Sommer in Niendorf« ist eine treffende Ortsbegehung eines in die Jahre gekommenen, nur verkommene Reize bietenden Ostseeortes, dessen Tristesse auf seine Bewohner abfärbt und kaum Lust auf einen Besuch macht. Es ist keine Werbung für ein Ferienquartier, sondern vielmehr ein Gemälde verlotterter Sitten und verlorener Träume. Es ist die Geschichte eines Absturzes.