Der am 12. März 2015 im Alter von 66 Jahren viel zu früh verstorbene britische Fantasy-Autor Terry Pratchett wurde als Schöpfer der »Scheibenwelt« berühmt. In seinen Romanen erfand er eine vollkommen flache Welt, die auf dem Rücken von vier Elefanten und einer Riesenschildkröte ruht, die durch den Weltraum rudert.
Durch Pratchetts frühen Tod, dem die Fangemeinde teilweise mit Petitonen an den Tod, Pratchett wieder den Lebenden zurückzugeben, begegnete, veröffentlichen Verlage nun auch die frühen Werke des Scheibenwelt-Erfinders. Zu diesen Arbeiten zählen Dralle Drachen, eine Sammlung von Storys, die bereits viel vom Wortwitz und der phantastischen Gedankenwelt des Autors zeigen.
So gibt es zwei Geschichten vom Teppichvolk, einem Rudel extrem kleiner Lebewesen, deren Heimatplanet ein betagter Teppich ist. Das am Fransenrand lebende Teppichvolk erlebt jedenfalls eine Bedrohung ihrer Hütten und Paläste, da der Teppich auszufransen beginnt. Sie brechen ihre Zelte ab und unternehmen eine große Reise, auf der sie viele Zentimer weit durch unerforschte Teppichgegenden wandern und dabei erhebliche Gefahren meistern müssen. Schließlich schaffen sie es bis hin zur anderen Seite des Teppichs, um dort ein neues Leben zu beginnen. Einige besonders Wagemutige setzen sogar über das Linoleum-Meer und treffen auf einen Kontinent namens Läufer …
Eine andere Geschichte aus der Welt des Mikrokosmos behandelt den lediglich ein Hundertstel Millimeter langen Stern »Großes Staubkorn«. Auf diesem gibt es zwei Länder: Grabist auf der Linken und Posra auf der rechten Seite. Zwischen den Ländern erstreckt sich ein Gebirgszug. Auf dem höchsten Berg lebt ein Astronom namens Gwimper, der darüber philosophiert, ob es auf anderen Staubkörnern vielleicht ebenfalls Leben gibt wie auf dem Großen Staubkorn. Und als er eines Tages ein in der Nähe vorbeifliegendes Staubkorn beobachtet und dort Berge, Bäume und Tiere ausmacht, beschließen die Bewohner von Grabist eine Expedition auf den sich nähernden Stern. Allerdings haben auch die Bewohner von Posra den näherkommenden Staubplaneten entdeckt und wollen ihren Konkurrenten von der andren Seite des Berges zuvorkommen …
Diese beiden Beispiele mögen Zeugnis ablegen für die Art und Weise, in der Pratchett die Welt sieht, karikiert und beschreibt; und man stellt fest, dass diese gar nicht so sehr unterschiedlich ist von der Welt, in der wir leben.
Dralle Drachen ist als Sammlung früher Geschichten für Pratchett-Fans ein Muss. Für Pratchett-Beginner ist der Band ein guter Einstieg in die Scheiben-Gedankenwelt des Autors.
Die Schildkröte als Weltenträgerin findet sich ja auch in Stephen Kings “Es”. Bin jetzt aber zu faul um zu erforschen, wer da von wem abgeschrieben hat. 😉
Kings “Es” erschien 1986, Pratchett begann 1983 mit seinen Scheibenwelt-Romanen. Ich glaube allerdings kaum, dass einer der beiden es nötig hatte, abzuschreiben oder Ideen zu klauen.
Das glaube ich auch nicht. Vielleicht wissen die beiden einfach mehr als wir…
Sehr schöne Rezension, ich mag die Sichtweise des Herrn Pratchett sehr.
Die Schildkröte als Weltenträgerin /-erschafferin taucht wohl in etlichen Glaubensrichtungen auf, die sowohl King als auch Pratchett als Inspiration dienten. ????
Im Hinduismus verkörpert sich Vishnu in der Gestalt einer Schildkröte. Auf ihrem Rücken hob sie den Weltenberg Mandara aus dem Wasser des Milchozeans und rettete ihn vor dem Untergang.
Ich bin ja immer etwas skeptisch bei posthumen Veröffentlichungen. Fein, dass Du es für uns gelesen hast. Dann kann ich es ja ohne Bedenken an die Pratchett Fans in meiner Nähe verschenken 🙂