Wer Aufdeckungs-Journalismus-Romane mag, wird mit diesem, sehr kompakten und überaus profundem Werk seine Freude haben. Mir sind die Informationen stellenweise zu dicht geballt, in der Mitte des Romans kommt er aber ordentlich in Schwung, und wo es literarisch schwierig ist, Fakten (auch imaginierte) dem Leser zu vermitteln, wiegt das zumindest teilweise die kraftvolle, bilderreiche Sprache Trojanows auf, der mit wenigen Strichen Situationen und Menschen als Bühnenbild des ablaufenden Dramas zu zeichnen imstande ist.
Faszinierend die Story, die sich um den derzeitigen amtierenden US-Präsidenten verdichtet (Trump, beim Erscheinen des Buchs), sowie dessen Beziehungen zum russischen Geheimdienst und dem Präsidenten Russlands „offenbart“. Die Machenschaften der Nachrichtendienste, die Korruption, der welt- und menschen-verschlingende Neoliberalismus werden wie nebenbei gegeißelt, die perversen Vorlieben von Milliardären geschildert, die sich alles und jeden kaufen können, wenn sie nur nahe genug am Zentrum der Macht sitzen.
Ein eigentlich desillusionierender Roman, wenn man an das Funktionieren oder wenigstes an die Selbstreinigungskräfte von Demokratien glaubt, dennoch, oder auch gerade deswegen wichtig, weil Korruption auf höchster Ebene, Geldgeschenke, Abhängigkeiten, erkaufte falsche Entscheidungen von Spitzenpolitikern etc. man auch hierzulande findet, und es wahrlich eine würdevolle Aufgabe ist, zur Stärkung der Demokratie und der Wachsamkeit beizutragen. Auch wenn das Resümee lauten mag: die Mafia ist nicht Teil des Staates sondern umgekehrt. Solange Whistleblower und Journalisten, Literaten und ehrliche Politiker an die Notwendigkeit und Würde von Wahrheit und Demokratien glauben, scheint noch Hoffnung zu sein.
Manfred Stangl
Ilija Trojanow: „Doppelte Spur“, S Fischer, 2o2o, geb., 24o S, ISBN: 978-3-1o-39ooo5-7