Demon Copperhead

Epos von der Chancenlosigkeit

Die im deutschsprachigen Raum kaum bekannte US-amerikanische Schriftstellerin Barbara Kingsolver hat mit ihrem neuen Roman «Demon Copperhead» den Pulitzerpreis des Jahres 2023 gewonnen. Der gleichnamige Titelheld wird einerseits vom Vornamen her als Dämon charakterisiert, der Nachname weist auf die Schlange mit dem kupferfarbenen Kopf hin, was auf die Haarfarbe des Protagonisten anspielt. Nach Aussage der Autorin, und das erklärt den Romantitel letztendlich, stand «David Copperfield» von Charles Dickens Pate bei ihrem Appalachen-Epos von der Chancenlosigkeit.

Schauplatz der Erzählung ist eine kleine Ortschaft in den Wäldern des Staates Virginia, zeitlich ist sie in den neunziger und zwanziger Jahren angesiedelt, vom neunten bis zum frühen zwanzigsten Lebensjahr des Protagonisten und Ich-Erzählers. Demon ist Halbwaise und lebt mit seiner rauschgift-süchtigen Mom, die ihn im Teenageralter bekommen hat, in prekären Verhältnissen in einem armseligen Containercamp. Als sie an einer Überdosis stirbt, wird er von den Behörden in Pflege zu dafür geeignet erscheinenden Personen gegeben. Der Staat zahlt ihnen dafür fünfhundert Dollar im Monat, ist allerdings bei der Prüfung ihrer Eignung mehr als nachlässig. Und so kommt Demon zum Beispiel als Zwölfjähriger zu einem Farmer, der noch zwei andere Pflegekinder hat und quasi davon lebt, das Pflegegeld zu kassieren und so wenig wie möglich für sie auszugeben. Demon hat nur Lumpen zum Anziehen, muss hart arbeiten, hat ständig Hunger und geht kaum mal zu Schule, weil es immer Arbeit auf dem Hof gibt. Seine Lage bessert sich erst, als er zum «Coach» kommt, dem Trainer der örtlichen Football-Mannschaft, wo er auf Angus trifft, dessen zwei Jahre ältere Tochter, mit der er sich auf Anhieb gut versteht. Der Coach entdeckt sein Talent für Football, trainiert und fördert ihn, und Demon wird zum gefeierten Spieler, sein erster Erfolg im Leben.

Dem setzt eine schlimme Verletzung aber bald ein Ende, er muss diesen Sport für immer aufgeben und wird wohl sein Leben lang körperlich davon gezeichnet sein. In 64 Kapiteln auf 860 Seiten erzählt die dort lebende Autorin ihr Apalachian-Epos vom angeblich rückständigsten Land der USA und seiner unterprivilegierten Bevölkerung am Beispiel ihres Romanhelden. Demon muss starke Mittel gegen die anhaltenden Schmerzen nehmen, die ihn schließlich süchtig machen und ihn, zusammen mit seiner großen Liebe Dori, zunehmend ins Junkie-Milieu absinken lassen. Wie seine Mom stirbt auch Dori an einer Überdosis. Demon hat viele gute Freunde, und Tommy, mit dem er einst auf der Farm zusammen war, verhilft ihm zu einem ersten kleinen Job als Comic-Zeichner, – ein Talent, dass seine Kunstlehrerin auf der Schule entdeckt und gefördert hat. Sein wechselhaftes Leben ist gekennzeichnet von einer deprimierenden Chancenlosigkeit, von schicksalhaften Rückschlägen, die ihn aber nicht entmutigen. Er ist ein Kämpfertyp, der sich nicht unterkriegen lässt, auch nicht vom Rauschgift, und so folgt er nach langem Zögern dem dringenden Rat von June, einer Ärztin, die ihm immer selbstlos zu Seite stand und ihn schließlich zum Entzug in eine Klinik einweist. Dem schließen sich Reha-Maßnahmen an, die ihn nicht nur clean machen, sondern ihn auch ins Arbeitsleben begleiten. Als er nach drei Jahren in sein Dorf zurückkommt, trifft er Angus wieder, die Tochter vom «Coach», die gerade ihr Psychologie-Studium absolviert hat. Spontan beschließen die Beiden, die sich immer gut verstanden haben, ans Meer zu fahren, dem Sehnsuchtsziel von Demon.

In bester amerikanischer Erzähltradition, mit leichter Hand unterhaltsam und witzig, aber auch pointiert und schnörkellos geschrieben, ist «Demon Copperhead» ein zu Recht prämierter Roman, dessen Spannungsbogen bis zum Ende andauert. Seine permanente Sozialkritik und die allzu vielen Schicksalsschläge seines Protagonisten mindern den Lesegenuss ein bisschen, – hier wäre weniger mehr gewesen. Gleichwohl, langweilig wird es einem nie bei dieser bereichernden Lektüre!

Fazit:   erfreulich

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Genre: Roman
Illustrated by dtv München

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