30 Jahre Nirvana: 1990 stieg Dave Grohl (Ex-Scream und heutiger Frontman von Foo Fighters) bei Nirvana ein und machte sie damit zu dem Erfolgstrio als das sie heute – 30 Jahre später – immer noch bekannt sind. Mit ihrem Album Nevermind (1991) und der Hitsingle „Smells Like Teen Spirit“ schrieben sie Musikgeschichte. Michael Azerrad wurde quasi vor dem Selbstmord Kurt Cobains seine Vita direkt diktiert. Aber auch mehr als ein Viertel Jahrhundert nach dem Suizid bleibt unklar, wie lange vorher dieser schon geplant war.
“Sprachrohr seiner Generation”
1994, im Todesjahr von Kurt Cobain, erstmals erschienen, erzählt Azerrad in 18 Kapiteln den Aufstieg und Fall des „Sprachrohrs seiner Generation“, der sich kurz vor Erscheinen dieser einzigen autorisierten Nirvana-Biografie in seiner Garage in Seattle erschoss. Natürlich kann auch der Autor dieser Biografie, die sich vor allem durch das persönliche Interview mit dem Leadsänger von Nirvana von anderen unterscheidet, die wahren Umstände seines Selbstmordes nicht aufklären, dafür kommt aber der Künstler in his own words zu Wort und der Leser erfährt alles Wissenswerte über das Leben, wenn schon nicht den Tod, dieses einzigartigen Musikers, Songwriters und Komponisten. Auch wenn Kurt Cobain nie für irgendjemand anderen als sich selbst sprechen wollte, wurde er doch zum Sprachrohr seiner Generation, die es satt hatte, sich von den Baby Boomers der Sechziger bevormunden zu lassen.
Hippie vs. Punk = Grunge
Die „Baby Busters“ (Generation X) wollten endlich ihre eigene Rebellion haben und nicht die Dinosaurierhelden ihrer Väter (Led Zeppelin, The Who, Kiss, …) kritiklos übernehmen. Zum Zeitpunkt des Erscheinens von „Nevermind“ hatte sich eine ganz neue musikalische Zielgruppe gebildet, die baby busters, die zahlenmäßig sogar noch die baby boomers übertrafen, schreibt Azerrad: „Und sie wollten eine Musik, die sie ihre eigene nennen konnten“. Die baby boomers hatten als uneingeschränkte Herren der Jugendkultur längst abgedankt, denn sie waren zu genau den fetten in ihren Positionen sitzenden Blockierern geworden, wie jene, die sie einst selbst bekämpft hatten. Aus Hippies wurden Punks und die Punks wurden dann von den Hippiepunks der Grungegeneration hinweggefegt. Denn so hieß die neue Gegenkultur der Neunziger: Grunge. Und auch wenn dies nur ein Marketingbegriff war, trifft er doch sehr gut die Verquickung von Heavy Metal mit Punk. Die Mischung macht’s eben aus.
30 Jahre “wahre” Nirvana
Aufgewachsen in der Redneck-Hölle von Aberdeen und erst von seiner Mutter, dann von seinem Vater zu Verwandten hin- und hergeschoben, erlebte der junge Kurt alles andere als eine schöne Kindheit, obwohl – wie er später selbst sagte – die Scheidung der Eltern noch lange nicht das schlimmste Schicksal für Kinder seines Alters seien. Ein Weg aus diesem privaten Elend bot ihm die Musik und er fand sich schon früh mit Chris Novoselic zusammen, gründete Nirvana mit fünf (!) wechselnden Schlagzeugern, bis schließlich mit Dave Grohl ab August 1990 das Trio perfekt war. „Nevermind“ verkaufte sich – laut Azerrad – über Geffen sagenhafte 50 Millionen mal und trotz des Punkethos und Alternative-Status der Band schlug es ein, wie eine Bombe, ohne dass eigentlich irgendwer wusste warum das genauso kam. Am wenigsten die A&R Leute von Geffen, dann schon eher die von Sub Pop, das Plattenlabel aus Seattle, das an der Spitze einer Bewegung stand, die Rockmusik wieder zu etwas Echtem und Authentischen machen wollte. Und durch den Erfolg von Nirvana, profitierten dann ja endlich auch ihre alten Freunde und Musikerkollegen davon.
Michael Azerrad führt den Leser in “Nirvana. Come as you are.” durch die verschiedenen Stationen der Karriere von Nirvana, bespricht die Alben, Songtexte und die Lieben von Kurt Cobain. Auch die vielen Fotos von Charles Peterson illustrieren die Neunziger und was sie ausmachte. Voller Insiderwissen und liebevollen Details – etwa dass Kurt Cobain ausgerechnet in der sauberen Schweiz sein Pass, seine Schuhe und sein Portemonnaie gestohlen wurden – erzählt Michael Azerrad die echte und authentische Geschichte eines Vertreters seiner Generation, Kurt Cobain, der aber leider zu wenig Durchhaltevermögen besaß und seine Generation im Stich ließ. Aber vielleicht geht es ihm heute ja besser.
Michael Azerrad
Nirvana. Come as you are.
Die wahre Kurt-Cobain-Story
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Thomas Pöll
14. Auflage 2017, Paperback, 382 Seiten
19,99 EUR
ISBN: 978-3-85445-099-3
Hannibal Verlag