Kochen im falschen Jahrhundert

Du bist, was du isst

Ihre Vorliebe für das literarische Experimentieren ist auch in dem neuen Roman «Kochen im falschen Jahrhundert» von Teresa Präauer das stilistisch prägende Element. Schon der kryptische Titel deutet das an, denn das ‹Kochen› ist hier nur Mittel zum erzählerischen Zweck, und das ‹falsche Jahrhundert› weist erkennbar auf einen sozialen Konflikt hin. Im kammerspiel-artigen Setting dieses Romans wird eine Essens-Einladung gleich in drei Anläufen geschildert, womit auch drei mögliche Entwicklungen eines geselligen Abends im gehobenen Mittelstands-Milieu der Stadt Wien vorgezeichnet werden.

Im Mittelpunkt des Abends steht die «Gastgeberin», ein Frau Mitte vierzig, berufstätig und vor zwei Jahren erst in die elegante Wohnung eingezogen. Der «Freund der Gastgeberin», mit dem sie seit zwanzig Jahren zusammen ist, der aber nicht bei ihr wohnt, hilft ihr bei der Vorbereitung der Dinnerparty. Es gibt Quiche Lorraine als Hauptspeise, ein bewusst einfaches Menü für diesen ersten Dinner-Abend, der quasi auch als Einweihungs-Party für ihre Wohnung gedacht ist. Denn sie hat die elegante Wohnung zunächst mit viel Engagement eingerichtet, auch mit Antiquitäten, die sie selbst wieder aufgearbeitet hat. Nach einem Jahr aber ließ ihr Elan merklich nach, es wurde ihr plötzlich alles zuviel mit der stilvollen Einrichterei. Und so stehen auch immer noch Möbelkisten in der Wohnung herum, sie konnte sich nicht aufraffen, das alles mal auszupacken. Pünktlich ‹wie eine Schweizer Uhr› ist der «Schweizer» als erster Gast eingetroffen, ein Universitäts-Professor. Er kommt allein, seine Freundin ist leider verhindert, sie hat unaufschiebbare Arbeiten zu erledigen. Als weiter Gäste sind ein befreundetes Ehepaar eingeladen, und als die Beiden nach dem ‹akademischen Viertel› noch nicht eingetroffen sind, wird mit der ersten Flasche Crémant angestoßen. Die Verspätung beträgt schließlich eine volle Stunde. Das Ehepaar war zwar frühzeitig  aufgebrochen von zuhause, hatte aber unterwegs noch einen Aperitif getrunken und auch einen Happen gegessen. Dort hätten sie die Bekanntschaft mit einem netten amerikanischen Touristen-Paar gemacht und sich dann leider total ‹verplaudert.›

Das namenlos bleibende, ebenso sympathische wie versnobte Figuren-Ensemble, zu dem sich uneingeladen später auch noch die «Amerikaner» hinzugesellen, führt im Verlaufe des Abends endlose Gespräche über ‹Gott und die Welt›, wobei im Hintergrund ständig die von der «Gastgeberin» angelegte Spotify-Playlist mit Frauen-Jazz läuft. Immer wieder werden im Roman Interpretin und, kursiv gesetzt, der Songtitel genannt, letzterer oft mit Bezug zum gerade aktuellen Gesprächs-Gegenstand. Zwischen die vielen kurzen Kapitel des Romans sind jeweils, quasi als Überschrift, Lebensmittel, Gewürze oder Getränke eingeschoben. «Romana, Rucola, Eichblattsalat» sind da zum Beispiel untereinander aufgelistet, meist ohne Bezug allerdings zu dem, was gerade auf den Tisch kommt. Die Runde der arrivierten Mittvierziger spricht über längst vergangene Studienjahre, lästert über «Foodporn», debattiert über regionale Küche, Klimawandel, Nachhaltigkeit, Politik, soziale Medien und anderes mehr.

Ohne Zweifel ist dieser Roman von einer subversiven Intention der Autorin geprägt, indem sie ironisch eine Gesellschaft beschreibt, die mittels Kulinarik, mit exquisitem Geschmack auf Distinktion bedacht ist. Geradezu zynisch wird diese snobistische Haltung im Verlaufe des Abends Stück für Stück ad absurdum geführt, zerbröckelt die trügerische Fassade hedonistischer Selbsterhöhung. Der beim Essen und Trinken als sinnstiftend hochstilisierte Geschmack wird in dieser soziologischen Milieustudie kritisch hinterfragt. Stilistisch wird überwiegend in der dritten Person erzählt, wobei in den Rückblenden in die Du-Form gewechselt wird. Es passiert nicht viel in diesem akribisch durchgeplanten Plot, die belanglosen Gespräche der Gäste plätschern ohne Höhepunkte dahin, und damit kommt auch beim Leser schnell eine gepflegte Langeweile auf, wirklich bereichernd ist das alles nämlich nicht!

Fazit:  mäßig

Meine Website: https://ortaia-forum.de


Genre: Roman
Illustrated by Wallstein Göttingen

Johnny und Jean

Phantasiekompetenz gefragt

In ihrem zweiten Roman «Johnny und Jean» thematisiert die österreichische Schriftstellerin und bildende Künstlerin Teresa Präauer auf satirische Art die zeitgenössische Kunstszene. Der Buchtitel erinnert an berühmte chaotische Paare wie ‹Jules und Jim›, nur dass hier die Dramatik fehlt, Johnny und Jean sind harmlose Kunststudenten auf dem Weg zum Ruhm. «Mach gute Kunst» ist das Motto, aber genau das ist bekanntlich leichter gesagt als getan und wirft in der bildenden Kunst, wie der Klappentext aufzählt, nebenbei viele urkomische Fragen auf, mit denen niemand gerechnet hat.

Bei Studienbeginn an der Kunsthochschule trifft Ich-Erzähler Johnny seinen Schulkameraden Jean wieder, der ihm durch einen Salto vom Dreimeterbrett schon als Schüler imponiert hat. Auch im Studienbetrieb wird Jean schnell zu einer Führungsfigur, er wird von allen bewundert, ist den Kommilitonen immer voraus, ein selbstbewusster, kreativer Machertyp. Johnny hingegen ist Außenseiter, ein Zauderer und Tagträumer, der ideenlos stundenlang vor dem leeren Blatt sitzt. Er beschäftigt sich lieber mit Max Doerners Materialkunde, fertigt sechs Rahmen, zieht Leinwand auf, grundiert sie, – und dann kommt Jean und nimmt sie einfach alle mit. Während Jean am Kunstmarkt reüssiert, verrückte Kunstaktionen inszeniert, eigene Ausstellungen hat und seine Werke auch verkaufen kann, arbeitet Johnny immer mit dem gleichen Motiv. Schon an der Kunsthochschule hatte er sich mit seinen realistisch gemalten Fischen beworben und wurde auch erst im zweiten Anlauf angenommen, seither ist ihm nichts anderes mehr eingefallen. Sinniger Weise ist es dann ein Abfüller von Mineralwasser, der schließlich drei seiner sonst unverkäuflichen, «zart getuschten» Fischbilder erwirbt.

«Ich stelle mir vor, wie ich als junger Bub auf dem Land lebe» heißt es im ersten Satz, eine latent vorhandene Fantasie überdeckt das Wenige, was Realität sein könnte in diesem Künstler-Roman, der narrativ typische Stil des unzuverlässigen Erzählens. Die erforderliche Vorstellungskraft wird hier auf die Spitze getrieben, in vielen Szenen und Gesprächen bleibt der Wahrheitsgehalt fraglich, alles könnte auch irreal sein, und meist ist es für den Leser auch nicht möglich, eindeutig zu erkennen, was nur satirisch gemeint ist. Teresa Präauer dürfte als Autorin eigene Erfahrungen und Interna aus dem Kunstbetrieb in ihre Geschichte eingebaut haben, was den Text durchaus authentisch erscheinen lässt. Wenn der Held plötzlich mit Salvador Dalì spricht, wird allerdings klar, dass er fantasiert. Auch Marcel Duchamp mischt sich dann ein, und als Johnny ihn aufklärt, dass nach der Definition von Joseph Beuys jeder ein Künstler sei, fragt der zurück: «Beuys, wer ist der Kerl?» Alles was passiert in diesem surrealen Roman ohne erkennbare Handlung basiert allein, um ein wunderbar passendes Kompositum der Autorin zu benutzen, auf der «Phantasiekompetenz» seiner Leser. So findet die Initiation des Helden zum Beispiel in einen Museum von Kopenhagen statt, in einer Video-Blackbox mit Werken von Pipilotti Rist, wo Johnny von einer unbekannten Frau, die dort als einzige plötzlich neben ihm sitzt, völlig überraschend rittlings vernascht wird. Es lebe die Fantasie!

Erzählt werden die teils abstrusen Begebenheiten und wirren Dialoge der Kunstjünger, mit netten Anekdoten angereichert, in knappen Sätzen, oft im Jargon der Kunstwelt. Es gibt allerdings keinerlei Steigerung, keine überraschenden Wendungen, alles plätschert gleichförmig dahin und führt letztendlich auch zu nichts. Die farblosen Figuren sind eher emblematisch angelegt, sie bleiben unverbunden Solitäre der Kunstszene. Das permanente «Namedropping» in den Dialogen der Figuren kennzeichnet, durchaus selbstironisch, auch diesen verspielten Roman selbst, wirkt aber allmählich dann doch arg aufgesetzt. So winkt als Lesefrucht allenfalls eine Bereicherung des eigenen Kunstwissens, das im Plot angelegte psychische Konfliktpotential bleibt ungenutzt.

Fazit: miserabel

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Wallstein Göttingen