Es gibt Romane, die mitunter auch von fernen Landen und Leuten erzählen. Man hat es in einem solchen Fall mit einer Art von prosaischem Reiseführer zu tun, die freilich anders als diese der Fiktion sei Dank nicht an die Werbetauglichkeit von Worten und Inhalten gebunden sind. Vielmehr kann sich ein Roman den Mut zur Ungeschminktheit leisten und das tut „Tanz der Kakerlaken“ beträchtlich.
Der Protagonist Dusman Gonzaga lebt in einem Mietshaus in einem ärmlichen Stadtviertel von Nairobi, dem „Dacca-Haus“. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich als Parkuhrenableser für die Stadtverwaltung und ist anders als seine Mitbewohner mit einem Minimum von intellektuellen Fähigkeiten und Veränderungswillen gesegnet. Gerade zerlegt sich sein vor dem Haus geparktes Auto in seine sich verselbständigenden Einzelteile und die Kakerlaken laufen in seiner Behausung zur tänzerischen Höchstform auf, als er beschließt, sein Leben zu ändern. Er revoltiert gegen seinen durchgeknallten Chef aus dem Rathaus, will eine andere, gehaltvollere Arbeit tun, aber der Chef schreibt ihn krank und vermittelt ihm eine Psychotherapie. Hin und herpendelnd zwischen entrücktem Therapeutenblabla und dem Alltag im Dacca-Haus kommt ihm die Idee, eine Mieterinitiative gegen den skrupellosen Hausherrn anzuzetteln. Das Ausrichten seiner Mitbewohner auf ein und dasselbe Ziel entpuppt sich aber als schwerer als gedacht. Ein jeder ist mit sich selbst und seinem Pariadasein beschäftigt, der brutale Daseinskampf zwingt in die unterschiedlichsten Formen der Ökonomisierung, die nur eins miteinander gemein haben: von jedweder Form von Bürgerlichkeit weit weg zu sein. Das hauptkommunikative Anliegen der Einwohner von Dacca-Haus untereinander ist neben dem Nachbarschaftsstreit der ausschließliche Blick für die eigenen Belange. Es mehren sich Kakerlaken und Ungeziefer aber anstelle einer Schädlingsbekämpfung kommt ein Polizeikommando und hebt wegen einer kriminellen Bande das ganze Haus aus. Nachdem die meisten der Bewohner wie auch Dusman wieder zurückkehren dürfen, beginnt sich ganz schwach am Ende des Erzählertunnels ein Lichtblick zum Besseren hin abzuzeichnen.
Der Autor Meja Mwangi ist selbst Kenianer und weiß wohl, welche Art von Lindenstrasse er da beschreibt. Es ist ein Termitenhügel der Groteske, das ganze Haus pulsiert, stoffwechselt laut und schmerzhaft vor sich hin, scheidet aus. Aber empörungstaugliche Sozialkritik ist es dennoch nur bedingt, stellt sich doch immer wieder die Frage, ob nun die Menschen unter den Verhältnissen leiden oder umgekehrt. Das Ganze ist gut geschrieben, die Dialoge sind lebhaft, temperamentvoll, der Erzählstil ist bis hin zur Zackigkeit kompakt und die Charaktere sind, auch dialogrhetorisch trennscharf sortiert. Mwangis eigener Blick ist sarkastisch aber ehrlich.
Hätte ein Europäer diesen Roman geschrieben, der Mindestvorwurf eines kolonialen Chauvinismus wie etwa in den afrikanischen Reisebeschreibungen von Evelyn Waugh wäre ihm gewiss.
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