Der kleine Prinz

Wenn lesen glücklich macht

Der Erfolg der 1943 veröffentlichten Erzählung «Der kleine Prinz» hat dem französischen Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry einen immensen literarischen Ruhm eingetragen. Keines seiner anderen Werke war auch nur annähernd so erfolgreich, er hat damit einen zeitlosen Weltbestseller geschrieben. Die gesamte Auflage des in mehr als 270 Sprachen übersetzten Buches liegt bei etwa hundert Millionen, die Zahl der Ehrungen und künstlerischen Umsetzungen des Stoffes ist Legion, es gibt allein zwei Opern, diverse Bühnenfassungen und musikalische Adaptionen, es gibt Verfilmungen, Hörspiele und Comics, in Japan ist dieser zauberhaften Geschichte sogar ein eigenes Museum gewidmet. Nach Auslaufen der Urheberrechte sind diverse Verlage als Trittbrettfahrer mit wenig überzeugenden Neuübersetzungen des Büchleins auf diesen weltweiten Erfolgszug aufgesprungen. Was ist denn nun die Ursache dieser schon mehr als sieben Jahrzehnte andauernden Euphorie?

Eins vorweg, «Der kleine Prinz» ist kein Märchenbuch für Kinder, auch wenn sein Protagonist ein kleiner Bub ist, der ganz allein auf einem winzigen Asteroiden lebt, «Der Planet seiner Herkunft war kaum größer als ein Haus», heißt es im Buch. Um der Einsamkeit dort zu entfliehen, andere Menschen kennen zu lernen, hat er ihn verlassen. Auf sechs nahe gelegenen anderen kleinen Planeten trifft er zuerst einen König, der ihn als seinen Untertanen betrachtet, dann einen Eitlen, den er bewundern soll, einen Säufer, der säuft, um zu vergessen, dass er säuft, einen Unternehmer, dem angeblich alle Sterne gehören, einen Laternenanzünder, der seine Pflicht allzu ernst nimmt, und einen Geografen, der dicke Bücher schreibt, in denen nichts von den wichtigen Dingen des Lebens geschrieben steht. Der Geograf rät ihm, den Planeten Erde zu besuchen, «er hat einen guten Ruf». Ich-Erzähler dieser Geschichte ist ein Pilot, der wegen Motorschadens in der Wüste notlanden musste, beide sind sie quasi vom Himmel gefallen, wie sie lachend feststellen. Sie freunden sich schnell an, und der Prinz erzählt von seinem Planeten, seiner Reise auf die Erde und von seinen Erlebnissen.

Als ungewöhnlich filigran gezeichnete Parabel angelegt, enthält diese berührende Geschichte auch Elemente der Fabel, die Pflanzen und Tiere können selbstverständlich sprechen. Eine Rose, ein Fuchs und eine Schlange gehören somit zu den handelnden Figuren, letztere sogar mit tödlichem Auftrag. Mit dem Besuch der sechs Planeten verweist Saint-Exupéry auf menschlich allzumenschliche Schwächen, er legt behutsam moralisch Fragwürdiges bloß, indem er die unverdorbene Perspektive des Kindes benutzt. «Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar» ist eines der Schlüsselzitate des kleinen Prinzen. Damit will der Autor Mut machen für die Dinge des Lebens, die wirklich wichtig sind, für die es sich lohnt zu leben, ein flammendes Plädoyer für die Menschlichkeit also. Es gibt einige autobiografische Bezüge in diesem Text, die empfindliche Rose mit den vier Dornen kann als Hinweis auf den Ehekonflikt des Autors angesehen werden. Seine Einsamkeit in New York, wo er das Buch im Exil geschrieben hat, fließt ebenso ein wie die Bruchlandungen, von denen er selbst so einige hingelegt hat als Pilot, eine Notlandung in der Sahara (sic!) eingeschlossen. Die Fliegerei sei eigentlich eine Flucht vor den irdischen Sorgen, hat er seine Passion mal zu erklären versucht.

Was ist denn nun «Der kleine Prinz», ein philosophisch verklausuliertes Märchen? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, wie schön es ist, dieses Buch zu lesen! «Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. Du allein wirst Sterne haben, die lachen können!» tröstet der Prinz den Piloten beim Abschied. «Wenn du dieses Buch gelesen hast, wirst du froh sein, es getan zu haben», möchte ich schamlos plagiierend jedem potentiellen Leser zurufen!

Fazit: erstklassig

 

Nachwort

Ich wohnte einst in einem durch Eingemeindungen zur Großstadt mutierten netten Städtle im Badischen. Einer der drei Dezernenten in der SPD-geführten Stadtverwaltung war ein streitbarer CDU-Bürgermeister, dem die damals noch junge Partei «Die Grünen» als Opposition politisch heftige Grabenkämpfe geliefert hat, auch ich als Bürger habe mich über diesen ehrgeizigen Querkopf oft sehr geärgert.

Eines Tage konnte man in der Zeitung lesen, er sei an Krebs erkrankt, wenige Monate später starb er daran. Unter den vielen Traueranzeigen war auch eine von der Partei «Die Grünen», der folgendes Zitat vorangestellt war: «Und wenn du dich getröstet hast, wirst du froh sein, mich gekannt zu haben», als Quelle wurde «Der kleine Prinz» von Antoine de Saint-Exupéry genannt.

Das hat mich damals tief getroffen, weil damit ein Grat an Menschlichkeit zum Ausdruck kam, eine Bereitschaft zur Versöhnung, die den rauen politischen Diskurs plötzlich verstummen lies und all das unerbittliche Gezänk schlagartig relativiert hat. Mir ging dieses Zitat dann nie mehr aus dem Kopf bis zum heutigen Tage.

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Genre: Erzählung
Illustrated by Karl Rauch Verlag Düsseldorf

Nachtflug

saint-exupery-1Der Mensch im Machbarkeitswahn

Der Ruhm von Antoine de Saint-Exupéry stützt sich auf die weltberühmte Erzählung «Der kleine Prinz» aus seinem Spätwerk, in der eine Notlandung in der Wüste den äußeren Rahmen bildet. Seine langjährigen Erfahrungen als Berufspilot hat der französische Autor, der selbst mehrere Bruchlandungen überlebt hat, in einigen seiner Werke verarbeitet, so auch in dem Roman «Nachtflug», mit dem ihm 1930 der literarische Durchbruch gelang. Um Saint-Exupérys Tod bei einem Aufklärungsflug 1944 in der Nähe von Marseille rankten sich viele Mythen, die nach dem Zufallsfund eines Armbands von ihm durch einen Fischer sowie die spätere Bergung seiner ins Mittelmeer gestürzten Lockheed F-5 aber weitgehend aufgeklärt werden konnten.

«Die Höhenzüge, tief unter dem Flugzeug, gruben schon ihre Schattenfurchen ins Gold des Abends» lautet der erste Satz. Der Pilot Fabien und sein Bordfunker sind an diesem Abend im Postflugzeug von Patagonien nach Buenos Aires unterwegs. Außer ihnen sind zwei weitere Kurierflieger von Chile und Paraguay auf dem Weg dorthin, nach Mitternacht übernimmt der Europakurier dort die Fracht der drei Maschinen. Im Wettbewerb mit Eisenbahn und Schifffahrt hat Direktor Rivière gegen manchen politischen Widerstand diesen Kurierdienst eingerichtet, der wegen seiner hohen Risiken allerdings heftig umstritten ist. Als Leiter der Luftpost regiert er mit harter Hand, beschwört den Pioniergeist seiner Piloten herauf, verlangt eiserne Disziplin und akzeptiert keinerlei Angst. «Diese Menschen […] sind glücklich, weil sie ihren Beruf lieben, und sie lieben ihn, weil ich hart bin», glaubt er. Nach einer Zwischenlandung gerät Fabien in ein heftiges Unwetter, das schnell den ganzen Kontinent erfasst hat, ein Umfliegen der Wetterfront ist unmöglich. Er fliegt in völliger Dunkelheit, ohne Sicht und ohne jede Chance auf eine Notlandung, zudem wird bald auch sein Treibstoff zu Ende gehen. Die Verständigung mit dem Bordfunker erfolgt über handgeschriebene Zettel, die sie sich jeweils zureichen, schließlich bricht auch die Funkverbindung mit den Bodenstationen ab. Als Fabien die Maschine aus den heftigen Turbulenzen nach oben zieht und die Wolkendecke durchstößt, sieht er bei ruhigem Wetter plötzlich den Sternenhimmel über sich, alle Beide geraten in eine trügerische Euphorie.

Die Geschichte ist zweisträngig erzählt, parallel zum dramatischen Fluggeschehen werden die hektischen Aktivitäten der Flugleitung geschildert. Direktor Rivière verfolgt ungeduldig den Funkverkehr mit der in Not geratenen Maschine, spricht mit der Frau von Fabien, die verzweifelt auf Nachricht von ihrem Mann wartet. Innerlich aber hadert er mit sich, weil er seine Piloten zu solch riskanten Flügen ermutigt hat, stellt sogar den ganzen Luftpost-Dienst in Frage als zu riskant, technisch trotz aller Sorgfalt nicht wirklich beherrschbar. Gleichwohl lässt er schließlich doch den Europakurier ohne die Post aus Patagonien pünktlich starten, er hört die Maschine über den Platz brummen wie immer, der Flugbetrieb geht weiter.

Man hat Saint-Exupéry vorgeworfen, mit «Nachtflug» ein Hohelied des Idealismus, der Pflichterfüllung und Kameradschaft unter Männern angestimmt zu haben, ein Heldenepos der vergleichsweise primitiven Fliegerei jener Tage, – die Kommunikation per Zettel zwischen Pilot und Funker kündet überdeutlich davon. Was zählt bei solch heroischem Machbarkeitswahn ein Menschenleben? Welchen Preis darf der Fortschritt haben? Heiligt der Zweck die Mittel? Den Autor, der sein Buch als eine «Erforschung der Nacht» gedeutet hat, stürzte die herbe Kritik daran in eine tiefe Schaffenskrise, erst acht Jahre später erschien wieder ein Roman von ihm. «Nachtflug» ist ein geradezu meditativer Roman, geschrieben in einer ungemein suggestiven Sprache, knapp und ohne jedes Pathos bewirkt sie beim Leser das beklemmende Gefühl, Zeuge einer unabwendbaren Tragödie zu sein, selbst ganz hautnah die Unerbittlichkeit des Schicksals zu spüren.

Fazit: erfreulich

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main