Jacqueline ist 73. Eines Morgens weiß sie es einfach beim Aufwachen: so kann es mit ihr und ihrem Leben nicht mehr weitergehen. Sie packt ihre Koffer, verläßt ohne ein Wort des Abschieds ihren Mann Marcel und steht nur wenige Stunden später vor einem bezaubernden kleinen Haus mit blauen Fensterläden auf der Ile d’Yeu. Dort in der Bretagne lebt ihre geliebte Cousine Nane, zu der sie an diesem Punkt ihres Lebens flüchtet. Über 50 Jahre hat sie Nane nicht gesehen, auch dies ein Teil ihres nicht beglückenden Lebenslaufs, dem sie nun zum Ende eine positive Wendung geben möchte, geben muss.
Mit als das Leben überraschend zu Besuch kam hat die französische Autorin Caroline Vermalle eine unaufgeregte Geschichte über das Leben geschrieben. Über das Leben und darum, dass man irgendwann Frieden mit seinem Schicksal schliessen sollte. Zu akzeptieren, was war und zuzulassen, was noch sein könnte. Ganz leicht kommt dieses Buch daher, wie getragen vom Wind, berührt von den leichten Schlägen eines Schmetterlings.
Dieser Eindruck kommt nicht von ungefähr, läßt Caroline Vermalle nicht ihre Romanfiguren Jacqueline und Marcel von ihrer Suche und ihren Aufbrüchen berichten, sondern Apeliotes, Zephyr und Skiron, die Winde der Bretagne sowie das große Ochsenauge, ein gewöhnlicher Schmetterling auf der Suche nach dem Liebestanz. Diese ungewöhnliche Perspektive entführt den Leser direkt an die bretonische Küste. Man meint, die Winde schmecken zu können, das Meer zu riechen und das Gras zu spüren. Es ist eine märchenhafte, ruhig erzählte Geschichte, die man mit einem Lächeln auf den Lippen liest und aus der man gerne die Erkenntnis mitnimmt, nicht immer auf den idealen Zeitpunkt zu warten, um sich seine Wünsche zu erfüllen.
Auch wenn zugegebenermaßen der Kunstgriff nicht durchgehend funktioniert und der poetische Ton der Geschichte bisweilen droht, ins Kitschige abzugleiten – ein lesenswerter Roman, der einem gerade im Winter etwas von der Leichtigkeit des Sommers zurückzugeben vermag.
Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift