Abrakadabra und Toi, toi, toi

Ausgeschlossen, ich bin doch nicht abergläubisch! Ich halte mich für einen modernen, aufgeklärten Zeitgenossen, weit entfernt von Angst vor schwarzen Katzen und dreizehnten Stockwerken. Doch nach der Lektüre von Dorothea Steinbachers Büchlein zum Thema muss ich mich wohl korrigieren. Denn nun weiß ich, dass der Aberglaube viel tiefer in mir steckt, als ich bislang vermutet hätte.

So halte ich ein zufällig gefundenes vierblättriges Kleeblatt für einen Glücksbringer. Meinen Freunden von Oper und Theater wünsche ich vor der Aufführung mit »Toi, toi, toi!« Glück und spucke ihnen über die Schulter. Bei einer Sternschnuppe schließe ich die Augen und hoffe, ein stumm geäußerter Wunsch möge in Erfüllung gehen. Unterstütze ich jemand aus vollem Herzen, dann drücke ich ihm die Daumen … und mit all dem klebe ich bereits im Spinnennetz des Aberglaubens.

Den Daumen glaubten unsere Vorväter als den kräftigsten der Finger von Dämonen besetzt. Bei einem Epileptiker wurde zuerst der Daumen gelöst, um die bösen Geister, die von ihm Besitz ergriffen, zu vertreiben. Wir sprechen vom »grünen Daumen« erfolgreicher Gärtner und einer »glücklichen Hand«, der dieses oder jenes gelingt. »Den Daumen drücken« bedeutet schließlich, mit den übrigen vier Fingern den Daumen festzuhalten, damit keine Dämonen dazwischenpfuschen können und den Erfolg verhindern. Tief in unsere Alltagssprache ist der Aberglaube eingedrungen.

Was ist Aberglaube? Der Ursprung des Begriffs ist das althochdeutsche »ubarfengida« und heißt »Oberglaube«. Die Gebrüder Grimm definierten den Begriff als das, »was über den wahren glauben hinaus, daran neben vorbei geht«. Aberglaube bezeichnet somit den Glauben an das Übersinnliche und wurde erst im Zuge der Aufklärung zum Irrglauben gestempelt. Derzeit wird all das Aberglaube genannt, was über die Glaubenslehren der Amtskirchen hinausgeht.

Wer sich mit der ursprünglichen Bedeutung vieler heutiger Bräuche, Sitten und Redensarten, mit magischen Zahlen, Zaubersprüchen und Segenszeichen beschäftigen möchte, um dem täglichen Aberglauben auf den Grund zu gehen, wird von Dorothea Steinbacher gut unterhalten. Anliegen ihrer Veröffentlichung ist, die Spuren alten Brauchtums in unserer modernen Welt als Phänomen aufzuzeigen, das uns über Jahrhunderte hinweg mit dem Glauben unserer Vorfahren verbindet. Inzwischen gehe ich jedenfalls vorsichtiger mit der Behauptung um, ich sei frei von jedem Aberglauben …

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Genre: Volkskunde und Brauchtum
Illustrated by Heyne München