So schnell kann es gehen. Gerade noch feierten wir ein frohes Wiedersehen mit Josephine Cortès und ihren Töchtern, tanzten mit ihr in den Tag, stürzten uns kopfüber ins Leben, schon müssen wir uns wieder verabschieden und lassen liebgewordene Muchachas “nur einen Schritt vom Glück entfernt” zurück.
Teil drei der neuen Trilogie von Katherine Pancol ist erschienen und ihre LeserInnen schauen zurück auf einen Frühling, der von ganz besonderen Freundinnen begleitet wurde. In den Monaten März, April und Mai erschien jeweils ein Teil der Muchachas-Saga und versorgte uns mit sehnlich erwarteten Neuigkeiten über die Frauen, die uns teilweise schon seit Katherine Pancols erster Trilogie so vertraut waren. Die Schicksale der Muchachas werden unabhängig voneinander erzählt, wobei sich ihre Wege gelegentlich kreuzen. Wir lesen von ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen und Schicksalen, aber eines verbindet die Frauen: der Wille, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen und ihm das Beste abzutrotzen.
Die Erwartungen waren nach der überraschenden ersten Trilogie hoch geschraubt und – auch wenn ich die Muchachas sehr gerne gelesen habe – der Nachfolger erreicht die selbst gelegte Latte nicht ganz. Die Geschichten sind nicht so dicht wie von der Autorin gewohnt und kratzen wenig mehr als die Oberfläche. Katherine Pancol erzählt Geschichten von Liebe und Freundschaft, von Mode und Kunst, vom Leben in großen Städten und bodenständigen ländlichen Gebieten, von Rache und großen Gefühlen. Das alles in ihrem ganz eigenen Stil: mal plaudert sie unterhaltsam , mal gleitet sie unvermutet in nachgerade phantastische Geschichten ab, immer aber mit viel Liebe und Empathie zu ihren Figuren. Katherine Pancol ist eine Erzählerin, die mit Herzblut erzählt, man könnte sagen, in gutem Sinne ist sie eine begnadete Märchenerzählerin. Das kann sie, damit macht sie ihren LeserInnen viel Freude. Aber – sie wäre gut beraten, wenn sie es auch dabei belassen würde.
Was sie nicht kann, ist Sozialkritik. Sie erzählt in den Muchachas in bekannter Manier von der ehrgeizigen Hortense, der talentierten Geigerin Calypso, der verträumten Josephine. Dass sie zwischendurch Anleihen bei Erfolgsformaten wie Sex and the City nimmt – geschenkt. Kann man machen, hätte sie eigentlich nicht nötig. Aber all diese Geschichten reichen ihr diesmal nicht. Sie hat den Ehrgeiz, ein dunkles Thema mit in ihren Roman zu packen – und verhebt sich daran ganz gewaltig. Es geht diesmal auch um Gewalt in der Ehe und Mißbrauch in der Familie. Im Nachwort erzählt sie eine beobachtete Begebenheit, die sie zu diesem schweren Thema gebracht hat. Dieser Bericht ist wahrhaftig und macht betroffen, man glaubt der Autorin sofort, wie wichtig es ihr danach war, dies in ihre Bücher mit aufzunehmen.
Alleine – sie schafft es nicht, diese Betroffenheit, diese Wahrhaftigkeit mit in die Erzählung zu nehmen. Sie bleibt ihrem Märchenstil treu, wirkt dadurch vage und das hinterlässt beim Leser ein äußerst schales Gefühl. An keiner Stelle, zu keiner Zeit wird wirklich klar, warum Leonie – die mißhandelte Ehefrau und Frau – das alles einfach so hingenommen hat und schon gar nicht, wie sie zulassen konnte, was mit ihrer Tochter geschah. Die Erklärungsversuche im dritten Band jedenfalls sind noch weniger als halbherzig. Wo Pancol es sonst an jeder Stelle mit Leichtigkeit schafft, den Leser zum Komplizen zu machen, hier verärgert sie. Klassischer Fall von gut gemeint ist noch nicht gut gemacht.
Den ungetrübtesten Lesespaß hat man daher mit Band 2, in dem sich vor allem Hortense und ihr Umfeld kopfüber ins Leben stürzen und die Geschichte von Leonie und ihrer Tochter außen vor bleibt. Zu Beginn von Teil 3 haben es alle Figuren an einen Wendepunkt geschafft, von dem aus sie dem Ende ihrer Geschichten zustreben. Es liegt bei ihnen selbst, wie sie das Erlebte verarbeiten, sie haben es selbst in der Hand, den letzten Schritt zum Glück zu wagen. Für einige ist dies die Zeit der Befreiung. Oder Hoffnung. Das ganz besondere Markenzeichen der Autorin hier wie auch in der ersten Trilogie: Sie gesteht ihren Figuren das Recht auf Rache zu und ermöglicht damit den Lesern das Vergnügen einer erlebten Stellvertreter-Gerechtigkeit. Und bei aller Scheherazade-Phantasterei widersteht sie der Verlockung von grandiosen Happy Ends. Dabei hätte man ihr das noch nicht einmal übel genommen. Aber so bleibt die Hoffnung auf eine Fortsetzung. Auserzählt sind die Geschichten noch nicht. Da geht noch was.
Alles in allem: Trotz der bemängelten Stellen war es schön, diesen Frühling von den Muchachas begleitet zu werden. Wie die Jahreszeit verhießen auch die Geschichten der Freundinnen einen neuen Aufbruch. Leicht zu lesen, aber nicht so leicht zu vergessen. Sagen wir es mit der Autorin: “Niemand erinnert sich am Ende seines Lebens an die Nächte, in denen er gut geschlafen hat”. Aber an die Muchachas werden wir sicher noch ein bißchen denken.
Noch einmal der bereits in der ersten Rezension gegebene Hinweis: Die einzelnen Teile sind nicht ins sich abgeschlossen, die “Muchachas” sind eher eine Serie zum Lesen als eine herkömmliche Trilogie.