Was Männer kosten: Der hohe Preis des Patriarchats

Was Männer kostenSchon immer waren Ihnen Männer lieb und teuer? Aber wie viel sie unsere Gesellschaft wirklich kosten, ahnt niemand und man staunt beim Lesen des Buches. Der Autor ist Volkswirt und hat seit Jahrzehnten in der Jugendarbeit Erfahrungen gesammelt, zunehmend berät er Männer, die ihre Rolle in der Gesellschaft nicht gefunden haben.

Das Buch enthält zu jeder Feststellung Tabellen, die den Geldwert aufzeigen dessen, was Männer kosten. Seine Quellen sind allen zugänglich, oft das Statistische Bundesamt. Auf den über 300 Seiten sind neben vielen Grafiken 370 Quellen aufgeführt.

Was das Buch besonders lesenswert macht, sind die jahrzehntelangen Beobachtungen, die Gedanken dazu oder auch Gespräche, sowohl im dienstlichen, als auch im privaten Freundeskreis.

Es gibt originelle Thesen, etwa beim Alkoholmissbrauch (kostet 57 Milliarden Euro jährlich, verursacht zu 73 % von Männern), wo er vorschlägt, die Alkohol produzierende Industrie in Haftung zu nehmen.

Oder, wenn er aufzeigt, dass der Unterschied der Lebenserwartung zwischen den Geschlechtern (sechs Jahre) am risikoreicheren Männerleben liegt; Mönche leben fast so lange wie Nonnen. Hier bleiben die Forderungen allgemein …

Bei seiner Beratung fiel ihm auf, dass Männer mit geringerer Bildung nicht wussten, was die Me too Debatte war (Me-was?). Sie findet in einer Akademikerblase statt, was über die Bedingungen des Patriarchats in großen Teilen der Bevölkerung rückschließen lässt.

Das Buch ist ein drei Teile aufgeteilt: In Teil I die messbaren Kosten (elf Kapitel enthält u. a. Häusliche Gewalt, Wirtschaftskriminalität, Fußballromantik, wo es um Hooligans geht, Verkehrsunfälle, überschrieben mit „Männer mit eingebauter Vorfahrt“.)

Teil II behandelt nicht messbare Nebenwirkungen (sechs Kapitel als Beispiele: Lebenserwartung und Suizid, Rechtsextremismus, Sportverbände).

In Teil III Wege aus der Krise (zehn Kapitel. Hier fordert er Veränderungen in der Bildungspolitik, überhaupt der Politik, zur Männergesundheit)

Zwei Bereiche will ich herausstellen: Rechtsextremismus und Männergesundheit:

Im Jahr 2020 erschien, unter Minister Seehofer, der Verfassungsschutzbericht mit 420 Seiten, auf denen je einmal die Wörter Mann und männlich auftauchen. Das Wort Geschlecht nicht einmal. Dagegen stellt er eine Tabelle der rechten Straftaten in Berlin, bei denen 90,4 % der Tatverdächtigen männlich waren.

Zur Männergesundheit lernen wir in den ersten Teilen, dass Männer sich schlechter ernähren, mehr saufen, übergewichtiger sind, seltener zum Arzt gehen. Sie können Depressionen nicht als solche annehmen und deshalb auch keine Therapien für sich nutzen. Mehrmals weist er darauf hin, dass es in Beziehungen nicht nur Gewalt gegen Frauen gibt, aber dass Männer dies nicht zugeben können.

Die Rollen, die Männern zugeschrieben werden: stark sein, keine Schwäche zeigen (wer wagt, gewinnt), werden in unserer Gesellschaft nicht mehr gebraucht. Schon im Kindergarten, in der Bildung, vor allem aber in den Familien kann hier die Zuschreibung einer einzuhaltenden Rolle vermieden werden, dafür gibt es Beispiele und Hinweise auf Organisationen, die Männer bei der Reflexion und Überwindung ihrer Rolle unterstützen.

Diese Rezension schreibe ich während der Debatte über die Ausschreitungen junger Männer in der Silvesternacht 2022/23. In der Grafik, die ich abfotografiert habe, ist die Entwicklung der Bildungsabschlüsse der letzten Jahrzehnte zu sehen. Bei den jetzt 15-25-jährigen Männern haben 48 % keinen Schulabschluss. Mädchen können in unserem System weiterkommen, inzwischen haben 19 % mehr ein Abitur, als Jungen, diese werden zunehmend abgehängt. Und nicht nur die mit Migrationshintergrund!


Genre: Geschlechter, Gesellschaft
Illustrated by Heyne München