Alkohol & Tabak: In Zeiten wie diesen ist wohl nichts so unpopulär wie das Rauchen und Trinken. Vor 100 Jahren war das noch völlig anders. Der Tag ging, Johnnie Walker kam. Oder ein Cowboy ritt durch eine Wüste und glühte seinen Glimmstengel vor sich her. Ein Jahrhundert lang sorgte die Werbeindustrie dafür, dass man sich nur dann richtig entspannen konnte oder richtig cool war, wenn man trank oder rauchte. Sollten diese Konsumgewohnheiten tatsächlich schon Geschichte sein? Dann ist die vorliegende Publikation ein wunderbares Familienalbum, das einen in der Vergangenheit einer untergehenden Epoche blättern lässt.
Alc & Zig: Werbung als Propaganda?
Mit vorliegendem voluminösen Sammelband mit Abbildungen legendärer und mitunter skurriler Werbekampagnen der US-Tabak- und Spirituosenbranche kann man sich noch einmal die passionierte, aber heute stigmatisierte Freude des blauen Dunstes und des gepflegten Hangovers in sein Wohnzimmer zurückholen, keimfrei und völlig gesund für Atemwege und Leber. Der Untertitel der vorliegenden Publikation „100 Years of Stimulating Ads“ soll nämlich keineswegs zum Konsum, sondern zu einer ganz anderen Form des Genusses animieren: den der Kontemplation. Wer „Alcohol & Tabacco Ads“ durchblättert wird Zeuge eines kulturellen Vermächtnisses, das hauptsächlich von den USA geprägt wurde. Die Verantwortung von Rauch und Rausch wird von den Herausgebern bezüglich Propagandamittel sogar in die Nähe des Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda gerückt, ein ernstzunehmender Vorwurf, dem hier nicht widersprochen werden soll. Auch was die Vermarktung der Produkte dieser Industrien für Frauen betrifft ist wohl kaum der Vorwurf der Propaganda abzuwehren.
Deutscher Alkohol vs. amerikanischer Tabak
Aber es gab auch den Volstead-Act, der den Verkauf des Alkohols verbot und vor allem die Deutschen treffen sollte: nicht zu trinken wurde während und nach dem Ersten Weltkrieg zu einem patriotischen Gefühl hochstilisiert, denn es war plötzlich un-amerikanisch. Dafür wurde das Rauchen munter beworben und beinahe ein patriotischer Akt. Für Fraune und Männer. Der Kulturanthropologe und Grafikdesign-Experte Jim Heimann ist Executive Editor bei TASCHEN in Los Angeles und Autor zahlreicher Bücher über Architektur, Popkultur und die Geschichte der amerikanischen Westküste, insbesondere Los Angeles und Hollywood. Auch Steven Heller ist prädestiniert für eine Publikation dieses Ausmaßes: er ist Co-Vorsitzender des Studiengangs „School of Visual Arts MFA Designer as Author“ und war 33 Jahre lang Art Director der New York Times sowie Autor von 120 Büchern über Grafikdesign, Illustration und politische Karikatur. Allison Silver wiederum lebt als Schriftstellerin und Redakteurin in New York City und arbeitet bei der New York Times und war Gründungsredakteurin des Washington Independent.
Jim Heimann/Steven Heller/Allison Silver
20th Century Alcohol & Tobacco Ads
Hardcover, 23,8 x 30,2 cm, 392 Seiten
ISBN 978-3-8365-6652-0
Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch
TASCHEN Verlag