Setzt ein gestandener Redakteur, Lektor, Kritiker, Literaturcoach ein Buch in die Welt, schauen Branchenkollegen gern genau hin: Begeht er hier oder dort einen unverzeihlichen Fehler? Sammelt er beim Spaziergang die berühmten drei Steine ein, um später fünf davon auf der heimischen Fensterbank zu drapieren? Rutscht er auf dem Parkett der Sprache, schlägt er rhetorische Purzelbäume? – Legen Sie sich beruhigt zurück, lieber Leser: Hans-Peter Roentgens Ratgeber kostet zwar als Elektrobuch nur ein paar Euro. Die Veröffentlichung ist jedoch bis zur letzten Zeile stimmig, informativ und spannend.
SPANNEND?
»Spannend soll ein Buch sein, das wünschen sich die Leser, und Autorinnen und Autoren möchten spannend schreiben«, schreibt der Verfasser gleich in der Einleitung. In erster Linie bezieht er diese Aussage auf das Schöngeistige. Doch ich behaupte, ein Sachbuch muss den Leser ebenfalls in Atem halten. Es muss Neues wie Altbekanntes auf eigene Art präsentieren, ihn packen, fesseln, in Bann schlagen. Auch ein Schreibratgeber sollte »spannend« sein, will er wirken und Spuren hinterlassen.
Spannung sei, so zitiert der Verfasser Erfolgsautor Andreas Eschbach, wenn der Leser einen Text nicht mehr weglegen kann. Weil er weiterlesen MUSS. Im Idealfall vergisst er, dass längst Schlafenszeit ist, kneift die Knie zusammen, weil er dringend auf die Toilette will. Aber er lässt es, denn dazu müsste er den Text weglegen …
Roentgen erzeugt Spannung, indem er weder erklärt noch doziert. Er baut geschickt Textproben, Fragestellungen und Übungen ein, bei denen der Leser viel erfährt und durch die eigene Brille prüfen kann. Er zeigt auf, wie wesentlich es für einen Autor ist, sein Thema sowie die handelnden Personen genau zu kennen. Denn nur so lässt sich einer Szene Tiefe schaffen, die den Stoff glaubwürdig macht. Kennt der Autor hingegen Sujet oder Akteure nur oberflächlich, dann wird seine Schilderung schwammig. Der Leser spürt das unbewusst, ohne es exakt formulieren zu können.
Wichtig dabei ist neben dem, was konkret im Text steht, all das, was nicht explizit ausgesprochen wird. Ich nenne diese unterschwelligen Botschaften »Subtext«. Roentgen spricht von »Lücken, die der Leser füllen muss«. »Erzählen«, so der Verfasser des Ratgebers, »ist immer eine Gratwanderung zwischen dem, was der Rezipient weiß, und dem, was er wissen möchte, was ihm der Autor aber nicht verrät.«
Letztlich geht es darum, über das zu schreiben, was der Verfasser selbst liebt oder hasst. Ein Text muss den Autor selbst berühren, nur dann bewegt sie auch den Leser. Hans-Peter Roentgen beherrscht und mag das Thema, das er sich mit diesem Ratgeber vorgenommen hat. Und er kann einiges dazu sagen, das vielleicht schon lange bekannt ist, aber hier in einem Zusammenhang vorgetragen wird, der plausibel ist. Im Ergebnis kann der Leser davon profitieren, indem er mit dem Roentgen-Blick sein Werk durchleuchtet.