Lenin kam nur bis Lüdenscheid

Hier beschreibt ein 1964 geborener Autor seine Kindheit und Jugend, die wesentlich bestimmt war durch die provinzielle Enge Solingens, in dem er aufwuchs und die politische Haltung seiner Eltern. Die waren im Geist der damaligen Zeit links eingestellt und bewegten sich zwischen Naturfreunden, Spontis und DKP-Kommunisten, die der Hass auf die den Vietnamkrieg führende Supermacht USA einte. Prechts Eltern engagierten sich weitgehender als andere und adoptierten zwei vietnamesische Kriegskinder, die wie Geschwister des Autors aufwuchsen. Sie verbannten von Coca-Cola bis Ketchup alles, was einen amerikanischen Schatten trug und wehrten sich auch gegen die »Verdummungsmaschine« Fernseher.

Precht versucht in seinem Buch, die Haltung seiner Eltern zu verstehen und den Kontext zu erklären, in dem sie dachten und handelten. Dabei ist ihm hoch anzurechnen, dass er weder ins große Jammern über ein versunkenes Idyll ausbricht noch die antiautoritären Achtundsechziger als mephistophelische Ausgeburt verdammt, wie es derzeit modern zu sein scheint. Er müht sich aufrichtig, Antworten auf Fragen zu finden, die mit seiner eigenen Entwicklung zu tun haben. Dieses Bemühen scheitert allerdings daran, dass er aus der Perspektive desjenigen berichtet, der sich die meisten Zusammenhänge erst im Nachhinein aus Büchern erarbeitet hat. Besser wäre sicherlich gewesen, er hätte sich auf sein Erinnern beschränkt und den Oberlehrer weggelassen. Und an dem ständigen Hin und Her zwischen den Polen krankt der gesamte Bericht, von dem nie ganz klar wird, ob es sich um eine Autobiographie, einen Hintergrundbericht oder ein Feuilleton handelt. Gänzlich hilflos wirkt der Autor, wenn er in der Jetztzeit landet, und sich wie ein Schneekönig freut, wenn ihn ein Typ wie Guido Westerwelle in burschikoser Freundschaft »Junge« nennt.


Genre: Erinnerungen
Illustrated by Claasen München