Ich bin schizophren und es geht mir allen gut

Bernemann wird alt. Inzwischen hat er die 30 deutlich überschritten und ist immer noch auf der Suche nach sich selbst. Als Autor möchte er weder schubladisierbar noch schubladesk sein und behauptet, seine Literatur führe eine Art Angriffskrieg. Davon ist in seiner nunmehr vierten Buchveröffentlichung leider wenig zu spüren.

Ubooks hat seinen bisher einzigen Bestseller-Autor dazu verdammt, Neues auf den Markt zu werfen. So greift der geforderte Autor in die Ablage und zaubert einige halbgare Texte hervor, um sein Publikum zu beglücken. Er nennt sie »persönlich«. Alle, die seine Texte kennen, meint Bernemann, hielten ihn für einen Depressiven, manisch Fingernägel kauenden und ewig beunruhigten Alptraumtänzer, einen weit draußen Stehenden, der so far out of space zu sein scheint, dass er »nur an Weltraumbahnhöfen verweltreist«. Tatsächlich will er ein »Kopfkrieg-Youth« sein. »Ich bin ein Modeschmuckgeschäft, in dem es lediglich Assoziationsketten gibt«, brüllt er die Alleen entlang, wenn er zwischen Leipzig, Herne und Trier auf die Suche nach dem Leser geht.

Zum Beweis publiziert er einige kurze Geschichten im Genre Fuckrockblutkotzeliteratur. Das Material füllt kein Buch, Bernemann greift zur Technik, die er schon in seinem Erstling »Ich hab die Unschuld kotzen sehen« anwandte: er schiebt dreißig Seiten Gedichte und Songtexte ein, die er »lyrische Manifeste« nennt. Und tatsächlich: mehr als Assoziationsketten bietet er nicht.

Seiner Zielgruppe, der »schwarzen« Subkultur im Rahmen der Post-Punk- und Dark-Wave-Bewegung, mag das vielleicht genügen. Mit Hilfe eines Lektors, der sein Potential fordert, könnte aus ihm jedoch deutlich mehr werden. Geschichten wie »Der Campingstuhl« jedenfalls zeigen das literarische Vermögen des Autors: ein 18jähriges Mädchen zieht mit einem frisch erworbenen Sitzmöbel auf ein wildes Rockfestival und definiert sich darüber. Auf diesem Klappstuhl sitzt sie als ultimativ Gerockte und betrachtet das Universum, das sich ihr bald in Form von Bier, Schnaps, Haschisch und fröhlichen Freiern vorstellt und findet sich dabei maximal cool und extravagant.

Die eindrucksvolle Beschreibung der Fete rund um das Klappmöbel beweist auch, dass sich im Selbstverständnis junger Leute und ihrer Erlebniswelt in den zurück liegenden 30 Jahren wenig geändert hat und auch die Subkultur immer noch in ihrem Wesen beständig ist. Insofern ist die Lektüre dieses literarischen Kleinods auch für die Altersgruppe 30+ durchaus geeignet. Ob eine Story allerdings genügt, das Buch zu kaufen, mag jeder selbst entscheiden.


Genre: Underground
Illustrated by Ubooks Diedorf

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