Der Bär verspürt an manchen Tagen ein rätselhaftes Unbehagen

Wer deutsche Gedichte liest, bekommt selten Lachfalten. Deutsche Dichter wandern mit betroffenen Mienen und gramzerfurchter Stirn umher und wabern bevorzugt im Nebel. Dunkelheit gilt unverändert als Charakteristikum der literarischen Moderne und Schwermut als Beweis von Ernsthaftigkeit. Dichter, die von diesem Kanon abweichen, werden von der offiziellen Literaturkritik ebenso wie von der akademischen Germanistik verschmäht und in die Abteilung Kasperltheater abgeschoben.

Wilhelm Busch wurde von seiner Zeit lediglich als kauziger Comic-Zeichner statt als Dichter anerkannt. Über Christian Morgensterns Verse schrieb ein zeitgenössischer Rezensent, es handele sich keinesfalls um eine Art Literatur als um »das Lallen des Deliriums, um Hirnschwund-Aphasie«. Der unlängst verstorbene Robert Gernhardt wurde jahrzehntelang vom Feuilleton ignoriert, obwohl seine Bücher erfolgreich in mehreren Auflagen erschienen waren.

Dabei gibt es herrlich humorige, kauzige, schräge und surreale Gedichte deutscher Wortakrobaten, die anschaulich beweisen, wie unvollständig das literarische Feuilleton deutsche Dichtkunst spiegelt. Christian Maintz stellt in einer Anthologie ausgewählte komische Gedichte des 20. Jahrhunderts zusammen. Dem Weltbild-Verlag ist es zu danken, diesen ursprünglich bei Hanser erschienenen Sammelband als äußerst preiswertes Hardcover wieder aufgelegt zu haben.

Komische Gedichte stammen nicht nur von den Spezialisten des Genres wie Wilhelm Busch, Christian Morgenstern, Joachim Ringelnatz, Kurt Schwitters, Karl Valentin, Heinz Erhardt, F. W. Bernstein und Robert Gernhardt. Auch »ernste« Dichter kennen das komische Element und verwenden es bewusst, wie Texte von Erich Fried, Peter Rühmkorf, Bertolt Brecht und Hans Magnus Enzensberger belegen.

Der Titelzeile des Buches ist einem Gedicht von Volker Kriegel entlehnt, der sich auch als Jazzer einen Namen machte: »Der Bär verspürt an manchen Tagen ein rätselhaftes Unbehagen. Ist es der Kopf? das Herz? der Magen? Kann er das Bier nicht mehr vertragen? – Zu diesen schweren Schicksalsfragen weiß auch der Bär nicht viel zu sagen.« Was Kriegel da mit Tiefsinn blödelt, bildet keine Ausnahme. Die repräsentative Auswahl der geistreichsten, ulkigsten und brillantesten Gedichte ist eine Lesefreude und empfiehlt sich als Geschenk für jeden, der gern lacht.


Genre: Humor und Satire
Illustrated by Weltbild

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