Unordnung im Himmel. Die Unordnung, die Slavoj Žižek in seinem neuen Buch meint, geht auf ein Zitat des Großen Vorsitzenden Mao Tse-tung zurück. Denn Krise (Unordnung) bedeutet bekannterweise nicht nur Chaos, sondern auch Chance. Der vorliegende Band enthält kurze Aufsätze zu den Themen, die uns seit Ausbruch der Krise (Pandemie) in Atem halten. So analysiert Žižek – kurzatmig und kurzweilig wie immer – etwa die Tatsache, dass die USA ihre moralische Führung verloren haben, warum Assange immer noch nicht frei ist und weswegen wir heutzutage mehr radikale Veränderungen statt Mitgefühl brauchen. Trägt er deswegen eine Mao-Uniform auf der Illustration am Cover?
Unordnung im Himmel
“Freundlichkeit und Mitgefühl können sich in der Regel nur diejenigen leisten, die oben stehen“, meint Žižek etwa, wenn es um Migration geht und verlangt ausgerechnet mit einem Oscar Wilde (!) Zitat, unseren altruistischen Tugenden, die genau die Erreichung ihrer eigenen Ziele verhindern würden, enndlich abzuschwören. Genau das ist es wohl auch, was er ein paar Zeilen weiter als “liberalen Opportunismus in seiner schlimmsten Form” bezeichnet: “Aus Angst, die Mitte zu verschrecken, sagt man sich von den linken ‘Extremisten’ los.” Aber gerade in Zeiten des Trumpismus hätte man schon mit der Verteidigung der liberalen Demokratie alle Hände voll zu tun und es scheint wirklich zu viel verlangt zu sein, darüber hinaus noch eine Perspektive zu entwerfen. Schließlich wird das Feld der politischen Spannung, der hegemoniale Diskurs, längst von den Rechten bestimmt, und das nicht erst seit der Pandemie.
Lageberichte aus dem irdischen Chaos
Der letzte, 35. Aufsatz, in vorliegendem Band trägt denn auch den provokanten Titel “Warum ich immer noch Kommunist bin” und wird wohl viele Leser:innen allein deswegen schon abschrecken. “Tout ce qui bouge n’est pas rouge“, zitiert Žižek Alain Badiou und tatsächlich dominiert die politische Rechte der Gegenwart den hegemonialen Diskurs indem sie sich einer langen Tradition überwiegend linker Volksproteste bedient, gibt Žižek zu bedenken. Warum also klammert sich Žižek immer noch an den “verfluchten Namen des Kommunismus“, wie er schreibt, wenn er doch wisse, dass das kommunistische Projekt des 20. Jahrhunderts längst fehlgeschlagen ist und dabei nur “neue Formen mörderischen Terrors” hervorgebracht habe? Da wir uns dem Ende in Form einer apokalyptischen Katastrophe nähern, sei es umso klarer sich zur Freiheit als erkannte Notwendigkeit zu bekennen: “Das Ende der Zeit wird als die Unmöglichkeit des Endes erlebt“. Für Žižek bleibt die letzte Wahl immer noch der Kommunismus.
Slavoj Žižek
Unordnung im Himmel.
Lageberichte aus dem irdischen Chaos.
Aus dem Engl. von Axel Walter
2022, Broschur, 288 S. 13,5 x 21,5 cm
ISBN 978-3-8062-4487-8
wbg Theiss, Darmstadt