Mobbing Dick

Satire über Schweizer Bankster

Mit «Mobbing Dick» hat der Schweizer Schriftsteller und Werbetexter Tom Zürcher seinen vierten Roman veröffentlicht, der 2019 auf die Longlist für den deutschen Buchpreis gewählt wurde, also unter die letzten 20 von 203 eingereichten Romanen. In den Printmedien wurde das Buch jedoch ignoriert, von den namhaften Feuilletons erschienen keine Rezensionen, und auch die Laienkritiken bei den Versandhändlern fallen wenig euphorisch aus, wenn man die üblichen anonymen Claqueure mal unberücksichtigt lässt. Ein miserabler Roman also?

Dick Meier beißt in seinen Arm hinein, bis er zum Arzt muss. Als Motiv für seine Selbstverstümmelung nennt er das immer trockener werdende Jurastudium, das immer enger werdende elterliche Reihenhäuschen, «ich kriege keine Luft mehr». «Und beißen hilft?» fragt der Arzt, und was er denn tun würde, wenn er so leben könnte, wie er will. «Aufhören zu studieren, einen Job suchen und zuhause ausziehen», ist seine Antwort. Und weiter liest man: «Vielleicht sollte er das tun, meint der Arzt. Schon seinem Arm zuliebe». Trotz fehlender Qualifikation bekommt Dick einen Job bei der Schweizerischen Bankanstalt, legt dort eine Blitzkarriere hin und mietet sich eine deutlich überteuerte Wohnung in einem üblen Viertel Zürichs. Schnell merkt er jedoch, dass sein Job ein neues Gefängnis für ihn geworden ist, in der ominösen Bank geht es drunter und drüber, Amerikaner kaufen sie auf und vergrößern das Chaos noch mehr. Auf wundersame Weise aber übersteht Dick alle Rückschläge, sein mehrmals drohender Rausschmiss verwandelt sich urplötzlich in eine Beförderung, er fällt immer wieder die Treppe rauf statt runter. Unmerklich aber entwickelt sich sein Dauerstress allmählich zu einem veritablen Burnout, seine Persönlichkeit spaltet sich Jekyll-und-Hyde-mäßig in den braven ‹Dick› und den bösen ‹Mobbing Dick›, der seine Kollegen tyrannisiert. Das Ganze mündet in einen brutalen Showdown und endet in der Psychiatrie.

Der hier kurz skizzierte Plot wird chronologisch im Präsens, zwischen beruflichem und privatem Handlungsstrang wechselnd, und in einem ganz eigenen Duktus erzählt, der temporeich und journalistisch knapp stets schnell ohne Umwege direkt auf den Punkt kommt. Stilistisch einer Slapstick-Komödie vergleichbar werden hier grotesk-komische verbale Gags am laufenden Band geliefert, die in ihrer unbedarften Naivität die Lachmuskeln des Lesers ständig strapazieren. Besonders in den oft pingpongartigen Dialogen läuft dieser Stil, in dem hoch komprimiert die sprachliche Treffsicherheit des Werbetexters Tom Zürcher zum Tragen kommt, zur Höchstform auf. Dick erzählt den Eltern zum Beispiel, der neue Name seiner Bank stamme von ihm, die Mutter bedauert jedoch die Umbenennung: «Aber Honey, das ist doch von Dick. / Was? / Swiss American Bank. Hat unser Sohn erfunden, hat er doch erzählt. / Oh, stimmt, sagt Mutter. Wie viel bekommst du dafür? / Einen Franken, sagt Dick. / So wenig? / Für jedes Mal, wenn der Name in den Medien auftaucht. / Mutter tätschelt seine Hand und Vater zählt mit, wie oft der Sprecher Swiss American Bank sagt. Nach den Nachrichten ist Dick sieben Franken reicher».

Der Romanheld ist ein Hans-im-Glück, der immer wieder an der Tücke des Objekt zu scheitern droht, an dem letztendlich aber doch jedes Missgeschick völlig wirkungslos abprallt. Seine schlagfertigen, lakonischen Äußerungen verblüffen und erzeugen zusammen mit seinen unbekümmert naiven Gedanken und sinnfreien, irrealen Handlungen eine aus dem Grotesken resultierende Situationskomik. Als Parabel auf die Gesellschaft wird hier auf ungemein lustige Weise mit überbordendem Sprachwitz der Weg vom naiven Muttersöhnchen zum gemeingefährlichen Psychopathen beschrieben und so ganz nebenbei auch das Milieu der geheimniskrämerischern Schweizer Großbanken genüsslich auf die Schippe genommen. Allein das schon macht diese Satire über die skrupellosen «Bankster» der Alpenrepublik lesenswert!

Fazit: lesenswert

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Genre: Roman
Illustrated by Salis Verlag Zürich