Jesus – Die Anerkennung des mütterlichen Ursprungs und das Ende der väterlichen Allmacht

Humus und Humanität, liebevolle Ganzheitlichkeit versus patriarchales Denken

Autor und Theologe Lothar Beck gibt in seinem neuen Buch nicht nur eine kurze Zusammenfassung über matriarchalisches Denken, sondern er geht noch einen Schritt weiter: Er deutet die ursprüngliche Jesus-Tradition, die anscheinend dem Matriarchat und der Jäger-Sammler-Tradition (s. Buch “Wahrheit über Eva”) deutlich näher steht als der patriarchalischen Auslegung der von der katholischen Kirche genutzten paulinischen Tradition, mit eigens dafür geschriebenen Geschichten matriarchalisch um bzw. gibt dieser Jesus-Tradition ihren Ursprung zurück.

Aber zunächst zu seinen Erkenntnissen zum Matriarchat (in Auszügen):

– Wie in seinem letzten Buch “Die Weisheit der Mütter” weist er darauf hin, dass matriarchalische Religiosität sich quasi von selbst erklärt. Sie fußt auf Beobachtungen der Mutter Natur, die in einer solchen religiösen Tradition ohnehin einen zentralen Stellenwert einnimmt. Das Weibliche ist in der Natur dasjenige Geschlecht, das Leben gebiert – und damit die Schöpfer(innen)rolle inne hat. Denn sie ist diejenige, die Leben erschafft und gebiert. Das Männliche dagegen ist das Geschöpf. Dem geht Lothar Beck nach, indem er z.B. auf die ursprünglichen Jahwe-Traditionen verweist, in der Jahwe vor seiner patriarchalen Umformung ein Regengott und der Sohngeliebte der Aschera war. Er verweist auf die Göttlichkeit der Natur und die Natürlichkeit Gottes. Nichts kommt von oben, alles kommt von unten, von der Erde, und kehrt wieder zur Erde zurück. Humanität kommt von Humus und Mutterliebe aus der Materie. Im Humus sind Leben und Tod integriert. Zur Humanität gehört auch der Humor als Ausdruck der Lebensfreude und des Lachens. Die Wurzel “Mt” steht für “Mut” und “Mutter”. Die Natur ist die Mutter der Menschlichkeit und die Menschlichkeit die Möglichkeit der Natur. Die Mutterlinie (Symbol hierfür ist der Baum, s. auch Weltenbaum; Terebinte, Zeder und Palme waren im alten Israel göttliche Sinnbilder) und die Mutterliebe waren der Kern der matriarchalen Gesellschaft. Im Gegensatz zu heute, in der der Frau viel zu oft der Löwenanteil der Verantwortung für die Erziehung aufgebürdet wird, gab es im Matriarchat viele Mütter und Mutterbrüder, die sich um die Kinder gekümmert haben. Das stimmt auch mit den Erkentnissen des Buches “Die Wahrheit über Eva” überein. Bindungsfähigkeit war zentral, um das gute Gelingen der Gemeinschaft zu garantieren, ebenso (Hoch-)Sensibilität. Wohin die Abwertung der sogenannten Softscills und der (unterbezahlten, wenn überhaupt bezahlten) humanitären Berufe in einer patriarchalen Gesellschaft führt, erfahren wir tagtäglich. Das Rautennetz ist Symbol für das Lebenskontinuum, den planetarischen Lebenszusammenhang. Die/der Einzelne ist hierbei der Schnittpunkt in diesem Netz. Es gibt viele Glieder, aber es gibt nur einen einzigen Leib. Wenn ein Glied leidet, leiden alle. Wenn es einem Glied gut geht, freuen sich alle.  Göttin Bet: Bett, beten, Beet, bio (= Leben) gehören in diesen Zusammenhang. Diese Weltsicht ist uralt und war global verbreitet.

– Das matriarchale Weltbild ist naturgegeben zyklisch: Leben-Tod (mit verschiedenen Lebensaltern), Jahreszeiten, Mondzyklus – das alles steht auch in Zusammenhang mit der Frau, deren Menstruation sich z.B. in natürlicher Form dem Mondzyklus angleicht. Demenstsprechend nehmen Mond- und Fruchtbarkeitsaspekte der Göttin einen großen Raum ein. Die Jungfrau ist die selbstschöpferische Göttin. Eva ist im Hebräischen Heva/Chawwah, die “Mutter allen Lebens”. Freja heißt “Die Freie”, von ihr kommt “Frau”. Das Schwein (griechisch Hys) symoblisierte die Gebärmutter (griechisch Hystera) und damit die Urmutter Bet. Bärin als Göttinnentier und “gebären” stehen ebenfalls in einem engen Zusammenhang. Holle galt als Mutter der Seelen. Sie verband laut Beck ihre urmütterliche Anderswelt mit der Natur und der Kultur. Später identifizierte man die geschöpfliche Welt mit dem solaren Heros der Göttin. Er war als ihr Sohn in den Jahreskreislauf eingebunden, auferstand im Frühling und erstarb im Herbst. Als Lichtkind wurde er an Mittwinter wiedergeboren. Der Heros erhielt von der Göttin den Apfel der Liebe und der Weisheit. Der Apfel ist ebenfalls ein matriarchales Symbol. Die Hecksen sind als Heckensitzerinnen die Grenzwächterinnen von Diesseits und Jenseits. Die Schnitterin sichelt zum Erntefest das Korn (s. auch Demeter als Korn- bzw. Fruchtbarkeitsgöttin/Göttin des Ackerbaus). Der Tod gehört zum Leben dazu. Die heilige Kommunio und die Wiedergeburt sind die wichtigsten Topoi der matriarchalen Sonnenfeste.

– Auch die ursprünglichen Ausformungen der germanischen Götter Wotan, Tyr und Thor sind matriarchalen Usprungs. Wodan war wie Dionysos und Cernunnus ein Mondsohn. Die transalpinen Mondsöhne wurden mit dem Hirsch und dem Geweih identifiziert. Sie waren die Geweihten der Bet. Im alten Orient waren das El, Baal oder Jahwe, die im Stierkalb dargestellt wurden. Der Stier ist ebenfalls ein matriarchales Tier. Ihre Priester waren die Gehörnten der Mondgöttin. Die Mondsöhne stehen unter dem Schöpfungsprimat des Weiblichen-Mütterlichen und verkörpern die Sohnschaft des Männlichen. Thor/Donar (Donnerstag) ist stark und hat die Aufgabe, die Erde für’s Keimen und Fruchttragen vorzubereiten und alles Steinharte und das Eis zu zerkleinern. Er ist Gärtner und Bauer. Für diese Aufgabe hat er von der Erdmutter den Hammer geliehen bekommen. Der Wetzstein in seinem Kopf erinnert ihn, dass Mühsal und Arbeit zum Leben gehören und die Naturmächte nicht etwas sind, das man(n) endgültig besiegt. Ohne den Wetzstein ergibt er sich dem Schlaraffenland und lässt die Polkappen schmelzen: Thors Torheit. Arbeitspausen, Musestunden und Arbeit wechseln natürlichwerweise miteinander ab. Wodan/Odin (Whednesday, Mittwoch) ist der Mystiker, der Seelenmann unter den transalpinen Söhnen. Er ist Waldmann und Poet und liebt die Weitherzigkeit. Er ist der kreative Geist (od, odem odin), dessen Inspiration uns mit seinem von der Göttin geliehenen Speer trifft. Er begleitet am Ende des Jahres mit Göttin Percht die Seelen der Verstorbenen in die Anderswelt. Er untersucht, forscht und sammelt. Das Opfer eines seiner Augen bewahrt ihn davor, seine beiden Augen nur der Außenwelt zuzuwenden: Wodans Wahn. Er braucht sowohl Außen- als auch Innensicht, um weise zu sein und alles ganzheitlich zu sehen. Er verbindet so seine Forschungen mit Seele und sieht im natürlichen Gegenüber ein gleichwertiges Subjekt. Er ist der Wanderer zwischen den Welten. Tyr/Ziu  (Tuesday, Dienstag), sprachverwandt mit Zeus, Deus, Theos, schlichtet bei Konflikten und versöhnt bei Verletzungen. Er soll den Frieden richten, heilen und den Zusammenhalt in den Familien stärken. Von der Göttin hat er dafür die Scheide (Calibur) mit dem heiligen Schwert geliehen bekommen, um es als Mahnung zwischen die Parteien zu legen. Nur der Friedensstifter kann das Schwert aus der Scheide ziehen (Ex-Calibur). Erst bei Einigung der zerstrittenen Parteien steckt er das Schwert wieder in die Scheide. Durch die Forderung, das mühselige Schlichten durch schnelle Richtersprüche zu ersetzen, ein Machtwort zu sprechen, griff er schließlich selbst zum Schwert und wurde so zur Bedrohung für das Matriarchat und Verfechter der patriarchalen Ordnung mit totalitärem Anspruch. Er beanspruchte jetzt für sich, Schöpfer zu sein, Gesetzgeber und allmächtiger Herr der Geschichte: Zius Zwang. Deshalb hat er seine schlagende Rechte dem Fenriswolf, dem Schöpfertier, geopfert. So weiß er, dass seine Macht endlich und er sterblich ist. Frieden kann nur durch den langen Prozess der Liebe gewahrt werden: kennenlernen, zuhören,  verstehen, verhandeln, sich einigen. Werden die drei Mondsöhne von ihrem mütterlichen Ursprung getrennt, werden sie zur Gefahr für die Welt.

– Jesus übt durch seine Praxis eine durchgehende Kritik an der patriarchalen Ordnung. Er steht als matriarchaler Sakralkönig, Frauengesalbter und damit der Göttin Geweihter, für die matriarchale Basilea und in Opposition zur patriarchalen Ordnung. Er identifiziert sich mit der emotionalen Perspektive des Opfers: “Was ihr einem der Geringsten getan habt, habt ihr mir getan.” Das entspringt dem natürlichen Interesse am Gegenüber und dem natürlichen Wunsch, dessen Not zu lindern. “Sie fordert immer den Täter und sein System heraus, entlarft ihn und greift ihn an.” Er ist ein Erneuerer und Neubergründer der ursprünglichen Ordnung. Er ist Muttersohn und Menschensohn bzw. Erdsohn (Ben-Adam) und nicht Gott. Maria Magdalena wurde im Zuge des Patriarchats ihrer sakral-religiösen Bedeutung beraubt.

– Beck kommt zu folgender Erkenntnis für die spätpatriarchale Kleinfamilie, v.a. für die Frau dieser Familie: “Die spätpatriarchale Kleinfamilie ist die am stärksten wirtschaftlich ausgebeutete und unter Stress gesetzte Lebenseinheit. In ihr steht v.a. die Mutter sehr unter Druck. Der Stress der Kleinfamilie setzt sich aus vielen alltäglichen Stressoren zusammen, die in ihrer Gesamtheit die Grenze bio-psycho-sozialer Belastbarkeit erreicht haben.” Diese Stressoren, v. a. für die Frauen, füllen bei Beck seitenweise sein Buch… Corona hat das auch nach außen hin sichtbar gemacht und noch verschärft, da die Familien wieder ( bzw. noch mehr als sonst) in traditionelle Rollenbilder abgerutscht sind. Er bringt diese Erkenntnisse auf den Punkt.

Beck kombiniert in kluger und nachvollziehbarer Weise die transalpinen Göttinnensöhne mit dem orientalischen Göttinnensohn Jesus. Er arbeitet umsichtig die matriarchalen Ursprünge der Bibeltexte in Bezug auf Jesus heraus. Er ergänzt sie ganzheitlich durch das matriarchale Weltbild, sodass sich matriarchale Ursprünge, die noch in Ansätzen in der Bibel vorhanden sind, zu einem runden Ganzen zusammenfügen. Er verlegt den Gotthelf (Jesus) nach Deutschland, nach Schwaben und lässt ihn im schwäbischen Dialekt (wie ursprünglich im aramäischen Dialekt) reden, um so seine Relevanz auch für Deutschland und in der aktuellen Zeit hervorzuheben. Er verbindet demzufolge die aktuelle Zeit mit ihren Problemen, Aktionen, Protesten auch immer wieder mit der Bibel. Außerdem stellt er immer wieder Jesu’ Bezug zu den Frauen heraus: die Frauen salbten ihn, förderten ihn (auch durch finanzielle Mittel), waren Jüngerinnen, Priesterinnen, gaben ihm ein Zu-Haus-e (Basilea), waren im Tod und bei seiner Auferstehung bei ihm. Er wurzelte in ihnen. Beck stellt das Mutterland dem Vaterland gegenüber, z.B. heilsame Ganzheitlichkeit mit dem Zentrum der Liebe gegen Zergliederung und Pervertierung, Dämonisierung, Unmenschlichkeit, Naturfeindlichkeit. Beck stellt mit seinen Erkenntnissen über das Matriarchat und die behutsame Umformulierung der Mythen das soziale Miteinander und Verhalten, sowie Naturverbundenheit ins Zentrum (ähnlich wie in “Wahrheit über Eva”, in der die Jäger-und Sammlergemeinschaften nur durch dieses überhaupt überlebt haben). Damit hat sein dieses Jahr erschienene Buch angesichts der Klimakatastrophen und der zunehmenden Unmenschlichkeit höchste Aktualität!

Fazit

Höchst aktuelles Buch über matriarchale Ganzheitlichkeit in Verbindung mit den Mondsöhnen Wodan, Tyr, Thor und Jesus, das die heutigen Probleme und die heutige Welt mit den Mythen verbindet und die Mythen, sowie die Bibel im Sinne einer matriarchalisch liebevollen, ganzheitlichen Denkweise behutsam und ursprungsnah umformuliert.


Illustrated by Europa Verlagsgruppe

Die Weisheit der Mütter – Heilsame Impulse aus dem Matriarchat

Ganzheitliches, soziales, naturverbundenes Denken

Theologe Lothar Beck untersucht im vorliegenden Buch Symbole des Matriarchats, die Mythologie und die Überfrachtung des Matriarchats durch das Patriarchat und durch das Christentum kirchlicher Ausprägung. Er beruft sich dabei auf schon vorhandene Literatur, z.B. auf die Basiswerke von Marija Gambutas und Heide Göttner-Abendroth. Er beschreibt im Prinzip, was die Autoren von “Die Wahrheit über Eva” als die “Religion von unten” bezeichnen.

Außerdem benutzt er durchgehend die weibliche Sprachform: “So möchte ich die Selbstverständlichkeit der männlichen Prägung unserer Sprache bewusst machen.” Für mich als weibliche Leserin hat sich das als sehr erholsam und heilsam erwiesen: Ich als Frau werde endlich sichtbar! Ich habe schon vorher eine gendergerechte Sprache befürwortet, jetzt bin ich erst recht dafür, dass diese forciert wird: Sprache ist Ausdruck von Wirklichkeit, Sprache schafft aber auch Wirklichkeit. Beides kommt im Patriarchat zum Tragen, wenn die männliche Sprachform vordergründig für alle gilt, aber trotzdem hintergründig mindestens ein Geschlecht ausschließt und unsichbar macht. Wenn eine gendergerechte Sprache eingeführt wird, mag das vordergründig zwar etwas mühsamer zu lesen und zu schreiben sein, aber sie holt ans Licht, was schon lange da, aber (gewollt) unsichtbar war. Damit kommt Frauen und anderen Geschlechtern mehr Sichtbarkeit und damit mehr Präsenz und Wertschätzung zu. Diese wirkt sich (das ist meine tiefste Überzeugung), konsequent angewandt, auch auf andere Bereiche des Lebens aus.

Theologe Lothar Beck kommt, kurz zusammengefasst, zu folgenden Erkenntnissen:

  • Die symbolische Vaterordnung ist auf allen Ebenen eng mit männlichem Domminanzverhalten und männlicher Gewalt verknüpft. “Die Symbolordnung zwingt das andere Geschlecht zu einer stärkeren Anpassung an die jeweilige Sichtweise und ihren Wertekanon.”
  • arche, griechisch = Ursprung, Herrschaft => matri-arche = mütterliche Ursprungsbezogenheit allen Lebens; patri-arche = väterlich-männliche Vorherrschaft
  • männliche Gewalt zielt in 3 Richtungen: gegen männliche Konkurrenten, gegen Frauen und Mütter, gegen Mutter Natur
  • Politik der Gleichberechtigung: Frauen werden verstärkt dazu eingeladen, sich an patriarchalen kapitalistischen bzw. sozialistischen Unterdrückungs- und Ausbeutersystemen aktiv zu beteiligen
  • Die Umwandlung vom matriarchalen zum patriarchalen System erfolgte nicht von innen, sondern von außen durch frühpatriarchale Eroberer, dann auch immer hierarchisch von oben nach unten gegen massiven jahrtausendelangen Widerstand (vgl. auch das Buch “Die Wahrheit über Eva”).
  • Matriarchale Religiosität erklärt sich von selbst und bindet Natur und Alltag sinnstiftend ein (s. “Wahrheit über Eva”: Religion von unten), während patriarchale Religion von oben kommt: “Eine abstrakte theologische Idee wird sekundär mit natürlichen Abläufen verknüpft, um ihren künstlich-theoretischen Sinngehalt glaubwürdiger und verständlicher zu machen.” Sie dienen dabei ausschließlich männlicher Machtinteressen. (s. “Wahrheit über Eva” Religion von oben bzw. Herrschaftsreligion) => derzeitige Weltreligionen wie monotheistische Religionen, Buddhismus… sind zutiefst patriarchal
  • Frauen gelten in Vaterreligionen als zweitrangige Menschen, werden von Priesterämtern ausgeschlossen, gelten zur Zeit der Menstruation und Geburt als unrein (bei der Geburt von Mädchen doppelt so lange wie bei der Geburt von Jungen); Sexualität gilt als Sünde, wobei die Frau angeblich den Mann zur Sünde verführt; der gesamte Bereich der Monatsblutung, der Frauwerdung, des Frauseins nach der Menopause wird bis heute negativ erlebt und tabuisiert (s. das Jugendbuch “Alles ganz normal”) und seine große Würde und Bedeutung wurde und wird ihm genommen
  • “Frauen werden im Grunde bis heute als Menschen zweiter Klasse behandelt. Sie werden unterbezahlt und stehen noch immer ziemlich alleine da: im unlösbaren Konflikt zwischen Kindererziehung und Karriere. Dies bedeutet, dass sich jede Frau in der vaterländischen Volkswirtschaft selbst ihren Weg zwischen Kindern und Beruf suchen muss, also zwischen einer randständigen weiblichen und einer außenwirksamen männlichen Lebensgestaltung. Obwohl sie statistisch gesehen dabei sind, die Männer sowohl in kommunikativ-emotionaler als auch in mathematisch-technischer Intelligenz zu überholen, werden sie belächelt und weniger ernst genommen, wenn sie in der Ehe oder in einem Team von Männern ihre Werte und ihre weibliche Art, an eine Sache heranzugehen, zu äußern oder zu begründen versuchen.”
  • Die “weibliche Art” beschreibt Beck als ganzheitliche Herangehensweise, die z.B. in einem Konfliktfall nicht auf eine schnelle, dominante Lösung aus ist, sondern auf eine langfristige, ganzheitliche und alle Parteien aus sich heraus befriedende Lösung. Der Lösungsprozess ist dabei oft schmerzlich, aber heilsam.
  • Das geht einher mit dem weiblichen Symbol des Knotens und des Lösens desselben: Früher war es die Aufgabe des Mannes als Eignungstest für Führungsaufgaben, den Knoten geduldig zu lösen und dabei zu wertvollen Erkenntnissen zu gelangen, während die patiarchal-gewaltsame Lösung eines Alexanders des Großen so aussieht, dass er den gordischen Knoten einfach durchschlägt – das Gegenteil einer ganzheitlichen Lösung.
  • “Die symbolische Ordnung der Mutter und die Hochachtung der Mutter Natur könnten einen existentiellen Rahmen für eine Kurskorrektur und eine lebensbewahrende, nachhaltige Entwicklung darstellen […]”
  • “Der Sinn von Intelligenz ist vornehmlich ein sozialer […] Ungebundenes Mannsein steht in Gefahr, die Ehrfurcht vor dem Leben zu verlieren.”
  • Im alten Europa, aber auch weltweit verkörperte das Weibliche das Ursprüngliche. Alles Weibliche war schöpferisch: Jedes Tier entsteht aus dem Eierstock, jede Pflanze aus dem Fruchtknoten. Das Weibliche war deshalb das Abbild des Göttlichen und ihm wurde eine besondere schöpferische Kraft zugeschrieben. In jedem Muttertier, in jeder samentragenden Pflanze, in jedem fruchttragenden Baum zeigt sich die Göttin als schöpferisch Gebärende, als Große Mutter. Der Todesaspekt war in die ganzheitliche Muttersymbolik integriert. Die Göttin trat deshalb auch meist in der Dreiheit auf: als Mädchen (Farbe weiß), als Menstruierende/Mutter (Farbe Rot), als Frau in der Menopause (Farbe Schwarz). Diese Dreiheit der weiblichen Gottheit hat das kirchliche Christentum übernommen und versucht, sie auf das Männliche umzudeuten, wobei der weibliche Aspekt zurückgedrängt und bekämpft worden ist. Die Dreiheit des Weiblichen (Göttinnen bzw. Aspekte der Großen Göttin erscheinen gern in Dreierformation, aber auch Feen) gilt auch für die Mondphasen (mit dem Mond ist die Frau besonders eng verbunden, weil der Mond wie die Periode zyklisch ist und Frauen oft im Mondzyklus menstruieren), den Lebenszykkus und den Jahreszyklus. Die zyklische Frau ist mit dem Zyklus der Natur verbunden und lebt mit, nicht gegen die Natur. (In diesen Zusammenhang fällt auch die Wiedergeburt, an die die meisten Religionen glauben. Die Hauptströmungen des Monotheismus haben den Wiedergeburtsglauben verbannt und verfolgt. Er ist aber in den mystischen und den Nebenströmungen des Monotheismus immer noch vorhanden. Die Göttin birgt die Seelen der Verstorbenen in ihrem Bauch (s. Höhlengräber und runde Gräbererhebungen), bis sie wiedergeboren werden (s. z.B. Frau Holle im Buch “Unsere heimischen Göttinnen neu entdecken” von der Archäologin Joanne Foucher).)
  • Die Religion von unten erklärt sich (wie oben angedeutet) von selbst: Runde Formen in der Natur wurden dem Weiblichen zugeschrieben (Schwangerschaftsbauch, Brüste), Fels- und sonstige Spalten der Vagina (die besondere schöpferische Kraft besaß und deshalb verehrt wurde). Wasser wurde ebenfalls mit dem Weiblichen und Göttlichen in Verbindung gebracht (Fruchtwasser, Wasser, das aus Felsspalten dringt, Flüsse => Flüsse schlängeln sich: Schlangen und Drachen => im Christentum verteufelt und bekämpft, s. z.B. Garten Eden und Georg und der Drache). Die erblühende Natur im Frühling wurde u.a. der Göttin Ostara (Ostern) zugeschrieben. Eier (s. Weltenei), meist rot gefärbt (Menstruationsblut), Hennen, Kaninchen/Hasen (weil sichtbar fruchtbar), Lämmer gelten bis heute als Symbole für Ostern! Wo solche Göttinnensymbole nicht verbannt werden konnten, wurden sie entweder christianisiert oder dämonisiert bzw. als Aberglaube abgewertet. (s. auch “Unsere heimischen Göttinnen neu entdecken”)
  • Als Abbild der Göttin trug die Frau die Bezeichnung “geweihter Mensch” (Wei(h)b) bzw. englisch “wo-man”. Die ältesten Figuren, die man gefunden hat, sind Frauenfigurinen. Die Frau ist die Schöpferin (s.o.), der Mann das Geschöpf. In diesen Zusammenhang fällt auch die weltweite Mythologie des Sohn-Geliebten. Die Göttin gebiert alle(s) und damit auch den männlichen Gott. Als Geschöpf stirbt der Gott, von der Göttin beweint, entweder in der Trockenphase heißer Länder oder im Herbst und feiert im Frühling Wiederauferstehung. Mit der Göttin vermählt er sich, um Fruchtbarkeit zu garantieren. Er ist als Gott und als Mann in das Geschöpfliche, geboren aus der Göttin, eingebunden. Als solcher ist er guter Hirte (s. Christentum) und vorausschauender, ganzheitlicher Gärtner. Das Patriarchat hat diese weibliche Schöpferkraft schrittweise zurückgedrängt und dem männlichen Gott zugeschrieben, wobei diese Zuschreibung künstlich konstruiert wird, sich aber nicht aus natürlichen Begebenheiten erklärt. Die Götter Odin und Thor z.B. waren ursprünglich ebenfalls gute Hirten und Gärtner, bevor der destruktive Herschafts- und Gewaltanteil überwog und verherrlicht wurde. Jesus ist auch im Christentum der gute Hirte und war ursprünglich der Religion von unten zugetan (s. auch “Die Wahrheit über Eva”) und hat sie verkörpert (was Beck mit verschiedenen Bibelpassagen belegt).
  • Göttinnensymbole sind der oben schon beschriebene Knoten als Symbol der Weisheit und Wandlungskraft. Die Kröte verkörpert die gebärende Stellung der Göttin/Frau und damit die Geburtskraft. Weitere Göttinnensymbole sind neben dem Ei und der Vulva das Schamdreieck als Symbole des Entstehens und des Ursprungs. Das kosmische Kreuz (!) und das Rad sind Symbole der kreisenden (zyklischen) Bewegung. Das Rautennetz verkörpert den Zusammenhang und die die Koevolution. Mondsichel, Horn und Raupe stehen für das Werden und den Übergang. Biene (die Göttin wird gern als Biene dargestellt) und Schmetterling verkörpern die Transformation und die Wandlungskraft. Bärin und Hirschkuh sind Sinnbilder der Mütterlichkeit. Hügel, Quellen, Höhlen und Bäume sind Grundelemente des heiligen Ortes.
  • “In der Ehtnologie ist die große Friedfertigkeit matriarchaler Gesellschaften allgemein belegt.” Sie stärkt das Ich-Bewusstsein im egalitär-akzeptierenden Sinn und erweitert es auf die Gemeinschaft. Wenn eine Mutter Unterstützung bei der Kindererziehung von ihrer Mutter erhält, leben die Enkel länger. Unter dem Vorsitz der Sippenmutter wird Konsenz angestrebt. “Es herrscht niemand. Was zählt, ist die Klugheit, die Kompetenz und die Erfahrung des einzelnen.” Freiwillige Akzeptanz, Prinzip des Ausgleichs, des freiwillig angenommenen Ratschlags und Stammesbündnisse von Gleichen sind weitere Merkmale eines Matriarchats. Der Herd gilt als heiliger Ort für die Ahn*innenverehrung. Feste bestreiten und Hilfsbereitschaft bringen hohe Anerkennung. Die Anhäufung von Gütern stellen keinen Wert dar (s. auch “Wahrheit über Eva”). Nachhaltiges Umgehen mit natürlichen Ressourcen, Geburtenregelung allein durch die Frau, umfassende Solidarität, heiliges Gastrecht, hoher Wert der selbstbestimmten Sexualität, freie Liebesbeziehungen, innige Beziehung und Fürsorglichkeit der Muttersippe sind weitere Merkmale.
  • Zusammengefasst gesagt: Vom Matriarchat in seinen verschiedenen Ausprägungen kann man viel lernen für einen gesunden, heilsamen und konstruktiven Umgang mit der Welt und miteinander.

Sinnstiftung und wohlwollender Umgang miteinander, nicht gegeneinander

In der Zuammenfassung oben konnte ich nicht alle Aspekte beleuchten, dafür ist die Lektüre dieses Buches da. Lothar Beck gibt wie auch Joanne Foucher und die Autoren von “Die Wehrheit über Eva” wichtige Erkenntnisse und Impulse für ein sinnstiftendes, ganzheitliches, nachhaltiges, soziales Leben mit und nicht gegeneinander, mit und nicht gegen die Natur. Er verbindet in seinem Buch die Göttinnensymbolik und Erkennntnisse aus dem Matriarchat mit dem kirchlichen Christentum und zeigt auf, wo die alte Religion vom Christentum überformt und defamiert wurde. In seinen Exkursen stellt er weitere Verbindungen her und gibt tiefere Einblicke in eine Welt, die aus ihrem System heraus um so vieles besser ist als die jetzige. Er zeigt sehr deutlich auf, wie tiefst patriarchalisiert wir heutzutage sind, stellt die einzelnen Phasen des Patriarchats dar (Früh-, Hoch- und Spätpatriarchat) und zeigt auf, wo sie heute noch zu finden und wie weit wir in ihnen verstrickt sind. Er gibt aufgrund der Erkenntnisse über das Matriarchat Tipps für ein in allen Belangen gesünderes, ganzheitliches und befreiteres Leben – für Frauen und Männer! Er zeigt also auch auf, wo Männer sich in einem solchen ganzheitlichen System verorten können und welche Vorteile es nicht nur für die Frau, sondern auch für den Mann hat.

Fazit: Definitiv lesens- und überdenkenswert!


Illustrated by Neue Erde