Die Macht der Geheimbünde: Freimaurer, Rosenkreuzer, Kabbalisten

Der einstige Zauberkünstler und jetzige Autor und Journalist Hannes Kohlmaier unternimmt mit »Die Macht der Geheimbünde« einen ebenso unterhaltsamen wie kenntnisreichen Bummel durch die Welten der Freimaurer, Rosenkreuzer, Kabbalisten und Schlaraffen.

Lässt der Titel des Buches vermuten, es handele sich um ein heischerisches Sachbuch von zweifelhafter Seriösität, so spricht die Biographie des Verfassers eine andere Sprache: Hier schreibt ein Boulevard-Journalist, der stets sehen will, was er beschreibt. Der keine verschlossenen Türen kennt. Der von der Pike auf gelernt hat, wie man Menschen professionell auf Augenhöhe anspricht und interviewt. Der dies mit Niveau und umfangreichem Wissen geschmeidig umsetzt. Kohlmaier ist der Richtige, um zu verhindern, dass im Ergebnis ein staubtrockenes Sachbuch entsteht.

Journalistische Arbeitsweise des Autors

 

Hannes Kohlmaier suchte und entdeckte die jeweilige »Höhle der Löwen« und schaffte es, zu Ritualen und Sippungen eingeladen zu werden sowie auskunftswillige Gesprächspartner zu finden. Im Ergebnis präsentiert er eine aufregende Kreuzfahrt durch die geheimnisvollen Sphären der immer noch mehrheitlich von Männern beherrschten Bünde, die allesamt im Ozean von Absurdistan schippern.

Er war Gast bei Ritualen von etwa einem Dutzend Bünden, die sonst unter dem Radar der Öffentlichkeit laufen. Manche sind nur als dunkler Mythos vorhanden. So fand er keine abgeschnittenen Zungen, die Freimaurer einem geschwätzigen Bruder abschnitten. Dafür traf er die als Vampire bezeichneten Bluttrinker. Denn die gibt es tatsächlich.

Kohlmaier berichtet, wie die Szenerie auf ihn wirkte. Er meint zu seiner Arbeitsweise: »Gefühl und Verstand sind die beiden Schlüssel, ohne die sich diese Türen zum eigentlich rituellen Erlebnis nicht öffnen lassen.« Er betritt die Szene und macht schnell die Erfahrung, dass sich in allen Bünden zwei Strömungen bewegen: »die der konservativen Mitglieder, die selbst öffentliche Gästeabende meiden, um unerkannt zu bleiben. Und die der Progressiven, die an Nachwuchsarbeit interessiert sind.«

Die Chefin einer Freimaurerloge – ja, es gibt auch Logen mit weiblichem Anteil – meinte auf seine Anfrage: »Warum sollen wir die Leute nicht am Honig lecken lassen?« Kohlmaier leckt und spaziert mit seinem Leser durch sein Thema.

Was unterscheidet die Bünde?

 

Vor allem die Freimaurer haben es Hannes Kohlmaier angetan, vermutlich hatte er dort auch den leichtesten Zugang. Als einstigem Illusionisten interessiert ihn besonders die Magie, die ihm der seinerzeit berühmte deutsche Zauberkünstler Marvelli, ein Schlaraffe, erschloss. Der beschrieb den Unterschied zwischen Freimaurern und Schlaraffen mit einer Pointe zum öffentlichen Bestattungsritual, das beide Vereine haben: »Erst kamen die Freimaurer ans Grab, und alle haben geheult. Und dann kamen die Schlaraffen, und alle haben sich totgelacht.« – Die Herren sollen nämlich auf hölzernen Steckenpferden über den Friedhof geritten sein.

Neben diesen Erklärungsversuchen berührt der Autor aber auch aktuelle Fragen: Was wird mit einem Bruder, der sich zur Frau umwandeln lässt? Darf ein Mann in eine Männerloge aufgenommen werden, der früher eine Frau war? Fragen, die inzwischen in allen Bünden durch eine sich entwickelnde Gesellschaft auftauchen.

Dabei ist das seit 2006 durch das Europäische Antidiskriminierungsgesetz geregelt: Eine Benachteiligung wegen sexueller Identität ist verboten. Insofern sind gemischte Logen bei Freimaurern inzwischen selbstverständlich. Andere Bünde wagen es noch nicht, das Thema auch nur zu denken. Dabei kommt es mit unweigerlicher Macht auf sie zu.

Der 1970 geborene Autor und Journalist Hannes Kohlmaier

Dem Autor fällt auf seiner Expedition auf, dass es beispielsweise bei den Maurern drei Typen von Mitgliedern gibt: Da sind die Verschlossenen, die selbst Freunden ihre Mitgliedschaft verschweigen. Dann gibt es die eitlen Geheimniskrämer, die angesprochen werden wollen, um sich dann in einem Redeschwall zu ergehen, der kaum zu stoppen ist. Und dann sieht er die Frag-mich-ich-antworte-Typen, die über ihren Bund wie über jede andere Vereinsmitgliedshaft erzählen.

Dabei gibt es in bestimmten Fällen durchaus Gründe, vorsichtig zu sein. So erklärt die katholische Amtskirche Gläubige, die freimaurerischen Vereinigungen angehören, zu schweren Sündern, denen die Kommunion verwehrt werden muss. Dieser Irrglaube fußt auf einer historischen Verwechslung der Freimaurer mit Satanisten. Der »Luzifer« im freimaurerischen Schriftgut hat rein gar nichts mit dem Kirchensatan zu tun. Luzifer ist vielmehr der Lichtbringer, ein harmloser Begriff für die Venus, den zweithellsten Punkt am Firmament.

Rosenkreuzer suchen Erkenntnis

 

Ebenso wie es DIE Freimaurer nicht gibt, existieren auch DIE Rosenkreuzer nicht. Der Autor erlebt die einzelnen Gemeinschaften der beiden großen Vereinigungen »Lectorium Rosicrucianum« und »AMORC«, den sogenannten Rosenkreuzer-Orden, als äußerst heterogen. Alle eifern zwar höheren Idealen nach und bieten gleichzeitig eine gepflegte Unterhaltung an. Aber hinsichtlich ihrer spirituellen Radikalität bestehen deutliche Bemühungen, den Vorwurf des Alchemismus aus materieller Gier abstreiten zu können.

Mittlerweile wird der »Stein des Weisen«, den Rosenkreuzer seit Jahrhunderten suchen, als etwas Immateriell-Philosophisches erklärt. Unverhandelbar ist nur die Existenz einer menschlichen Seele. Als typisch gilt auch die Bewahrung des antiken Tempelschlafs, in dem schon Hohepriester im alten Ägypten nach Erkenntnissen suchten. Diese wissenschaftlich »Inkubation« genannte Phase der geistigen Entspannung war selbst für Nobelpreisträger Albert Einstein »ein göttliches Geschenk«.

Kabbalisten sind en vogue

 

Kabbalisten sind durch Hollywood wieder ins Gespräch gekommen. Von Madonna über David Bowie bis hin zu Demi Moore demonstrierten Stars mit einem roten Bändchen am Handgelenk ihre Hinwendung zum Kabbalismus. Wie die tatsächlichen Mitglieder des Ordens erhoffen sie sich von den magischen Kräften des Universums Liebe, Weisheit und Wissen – drei Werte, die mit dem Höchsten in Einklang stehen.

Dazu bedienen sie sich verschiedener Zeremonien, die Energie-Wesen und Engel herbeirufen, mit denen sie sich austauschen wollen. Zu kabbalistischen Techniken zählen auch Gematria und Temura, eine Zahlen- und Buchstabenmagie. Schließlich kommt noch eine Portion Astrologie dazu, und fertig ist ein Verein, der Außenstehenden bizarr erscheinen mag.

Schließlich kommt Hannes Kohlmaier über heidnische Druiden und moderne Hexen zum Bund der Schlaraffen, der 1859 in Prag wohl auch als Parodie auf die hochnäsige Freimaurerei begründet wurde.

Schlaraffen sind vergnügt

 

Der Autor erlebt die Schlaraffia als eine weltweite Vereinigung von Menschen, die der Pflege von Kunst, Freundschaft und Humor verpflichtet sind und im Rollenspiel eine Rittertafel imitieren. Ihr Leitspruch heißt »In arte voluptas«, »In der Kunst liegt das Vergnügen« und Kunst, Humor und Freundschaft sind ihre drei Säulen.

Kohlmaier sieht rituelle Ähnlichkeiten zwischen Freimaurern und Schlaraffen: Beide habe ihre eigene Zeitrechnung, Wahlen erfolgen durch Kugelung, neue Mitglieder durchlaufen drei Stufen bzw. Grade (Knappe-Junker-Ritter bzw. Lehrling-Geselle-Meister). Statt Schurz, Frack und Zylinder tragen Schlaraffen einen bunt behängten Rittermantel sowie einen »Helm« geheißene Narrenkappe. Sie sind mit Orden und Ehrenzeichen behängt wie Tannenbäume und duellieren sich mit Versen.

Zur Entspannung treffen sich Schlaraffen wöchentlich zu »Sippung« genannten Versammlungen. Dabei versuchen sie, die Alltagswelt zu vergessen und wieder albern wie in unbeschwerten Kindertagen zu sein. »Wer über sich selbst lachen kann, nimmt die Welt nicht mehr so ernst«, heißt es bei den Brüdern. Und wer denke, sie spinnen, dem wird recht gegeben.

Zehn Jahre nach der Schlaraffia gegründet, wirkt der Bund der Niederländter, deren Mitglieder sich niederländische Fantasienamen geben, wie eine Kopie der Schlaraffen. Ebenfalls stehen Humor, Geselligkeit, Kunst und Kostümierung im Mittelpunkt. Dabei gibt es ebenso wie bei den meisten anderen Bünden auch hier ein striktes Gebot: Politik, Arbeit und Religion sind tabu.

Unvoreingenommener Blick

 

Auch wer glaubt, schon alles über die im deutschen Sprachraum agierenden Geheimgesellschaften zu wissen, wird bei Kohlmaier einiges dazulernen können. Die Lektüre des Buches ist anregend, und es ist nicht ausgeschlossen, dass der ein oder andere Leser vielleicht mal konkret nachempfinden möchte, was der Autor erlebte, und Kontakt zu einem der mittels Internet leicht zu findenden Gemeinschaften aufnimmt.

Wohltuend ist der relativ unvoreingenommene Blick des Autors auf seinen Gegenstand. Dies hebt die Lektüre aus dem Morast der vielen Esoterik-Veröffentlichungen deutlich hervor.


Genre: Esoterik und Grenzwissenschaften, Reportagen, Sachbuch
Illustrated by Riva Verlag München

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